Infraschall – Gegenwindinitiativen wurde ein Argument geklaut 1

Infraschall - Die Raubkatze die plötzlich nur ein Kätzchen ist

Last Updated 10. September 2020

Gastbeitrag vom Bayreuther Zentrum für Ökologie und Umweltforschung, Dr. Stefan Holzheu.

Vorwort Energiewende-Rocken:

Wir kennen die Windkraftmythen, die von den üblichen unverdächtigen Gegenwindinitiativen, Energiewendegegnern und Klimaleugnern immer, und immer wieder gestreut werden. Das wohl am meisten gebrauchte Argument ist das der Vogelschreddermaschinen. Und obwohl dieses Argument so umfangreich an vielen Stellen widerlegt wurde, z.B. hier und hier, werden sie nicht müde es gebetsmühlenartig zu wiederholen. In einem ebenso nicht enden wollenden Gleichklang hören wir: Der Infraschall der von Windmühlen ausgeht, macht krank. Und man bezieht sich immer wieder auf eine wissenschaftliche Quelle, die des BGR (der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe) nach Messungen von Dr. Lars Ceranna.

Dazu kann man auf der Website von Windwahn, einer der aktivsten bundesweit agierenden Gegenwind-Gruppen folgendes erfahren:

Infraschallstationen benötigen Schutzabstände zu WEA von 5 km bis 15 km für unbeeinträchtigte Messungen
Menschen werden zum Leben ab 300 Metern an WEA gezwungen

Aus den Schlussfolgerungen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe:

“An Hand der theoretischen Abschätzung zeigt sich, dass die Schallemission moderner und großer Windkraftanlagen mit Leistungen von mehr als 500 kW Reichweiten von über 20 km hat. Diese Entfernung steigt im Falle von Windparks auf ein Vielfaches.”
“Im häufiger auftretenden „Normalfall“ atmosphärischer Schallausbreitung reduziert sich der Mindestabstand zu Windkraftanlagen für unbeeinträchtigte Messungen einer Infraschallstation auf Werte von etwa 5 bis 15 km, je nach Hintergrund-Rauschbedingungen an der Station sowie Größe und Zusammensetzung eines Windparks aus mehreren WKA.”

Soweit nun dieser Mythos der durch alle bekannten Gruppen in den sozialen Medien ging. Die Führungsgruppen, wie Windwahn, EIKE, Vernunftkraft, und inzwischen auch VLAB sind sich aber nicht zu schade auch kimaleugnende Positionen zu verbreiten. Egal wie absurd die Behauptungen sind, die Hauptsache der Protest wird angeheizt.

Die Zerstörung eines Mythos

Was ist nun aber, wenn beim Thema Infraschall der schlechteste aller anzunehmenden Fälle aufgetreten wäre? Die Studien der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe könnten zum Beispiel einen Rechenfehler haben. Und tatsächlich ist genau dieser schlechteste aller anzunehmenden Fälle eingetreten. Die Berechnungen haben sogar einen schwerwiegenden Rechenfehler. Damit dürfte Infraschall als Argument gestorben sein, zumindest was die Reichweite betrifft. Und schon wieder ist ein Argument gestorben. Schade, schade…

Und an der Stelle gilt es Dr. Stefan Holzheu meinen Dank auszusprechen der mir genehmigte seinen Artikel zu veröffentlichen. Den Link zum Artikel findest Du ganz unten. Stefan Holzheu hat diesen Rechenfehler nämlich herausgefunden.

Infraschall und Windenergie

Besonders kontrovers wird die Diskussion um Infraschall, wenn es um die Windenergie geht. Befeuert wird diese Diskussion von Organisationen wie EIKE, DSGS, Vernunftkraft oder Windwahn. Aus wissenschaftlicher Sicht interessant ist, dass diese Organisationen auch mehr oder weniger offen, den Mensch als Ursache für die aktuellen Klimaveränderungen in Frage stellen (siehe dazu EIKE, Windwahn & Co.). Die aufgeführten Argumente sind schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich widerlegt. Trotzdem werden diese Organisationen nicht müde, diese zu publizieren. Eine Forschungstätigkeit im Sinne von eingeworbenen Drittmitteln, Ausbildung von Doktoranden und Studierenden, sowie Publikationen in anerkannten wissenschaftlichen Fachzeitschriften kann keine der Organisationen vorweisen.

Auch die veröffentlichten Arbeiten zu Infraschall und Windenergie weisen erhebliche wissenschaftliche Fehler auf und würden keinen wissenschaftlichen Review bestehen.

Diese Organisationen sind jedoch medial gut aufgestellt und kommen schnell mit Bürgern vor Ort in Kontakt, sobald über ein Windkraftprojekt nachgedacht wird. Ein Hauptargument gegen die Windkraft ist dabei der Infraschall.

Messungen und Berechnungen von Lars Ceranna, BGR

Fast immer beginnen die Vorträge oder Veröffentlichungen zur Gefährlichkeit von Infraschall mit den Messungen und Berechnungen von Dr. Lars Ceranna, BGR (Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe). Die Veröffentlichung kann hier abgerufen werden. Ceranna hat an einem 200kW (Vestas V47) Windrad gemessen. Für heutige Maßstäbe ist das ein kleines Windrad. Basierend auf dieser Anlage stellt Ceranna Berechnungen an, welche Signalstärken von stärkeren Windrädern (5MW) oder gar ganzen Windparks erzeugt werden. Dabei nimmt er an, dass die abgestrahlte Infraschallleistung linear mit der elektrischen Leistung skaliert, sowie dass die Einzelwindräder sich in einem konstruktiven Interferenzmuster überlagern. Es handelt sich somit um “Worst Case”-Abschätzungen. Selbst unter diesen Annahmen kommt Ceranna in der Publikation zum Ergebnis (Seite 14):

Werden jedoch die Ergebnisse dieser Arbeit sowie die Kurven aus Abbildung 10 zu Grunde gelegt, ist keine Belästigung von Anwohnern durch Windkraftanlagen im Infraschallbereich bis etwa 20 Hz gegeben, da im Abstand von 1 km ein 5-MW Windrad nur einen Schalldruckpegel von maximal 80 dB erzeugt. Lediglich bei Frequenzen oberhalb von 15 Hz und größeren Windparks wäre in dieser Entfernung eine Wahrnehmung möglich.

Diesen Satz werden Sie natürlich nie in Veröffentlichungen von EIKE & Co. lesen.

BGR Modell liefert viel zu hohe Schalldrücke und basiert auf Rechenfehler

Trotzdem, würden die Berechnungen von Ceranna stimmen, sollte ich problemlos in der Lage sein, das Harsdorfer Windrad in 2,5km Entfernung zu detektieren. Nach den Abschätzungen von Ceranna würde ein 1,5MW Windrad in 2,5km Entfernung zu Signalstärken von 70dB führen (v.g. Abbildung 7). Dies ist jedoch nicht der Fall. Nur bei ganz speziellen Wetterlagen lassen sich Signale detektieren (vgl. Messkampagne Windrad Harsdorf 05/2020 und Reichweite Infraschallsignale Harsdorfer Windrad).

Die tatsächlich gemessenen Schalldrücke liegen weit unterhalb der Vorhersage des BGR Modells. Der Hauptgrund für diese Diskrepanz ist ein schwerwiegender Rechenfehler in der Schalldruckberechnung von Ceranna. Zu diesem Punkt gibt es eine separate Diskussionsseite.

Keine Gesundheitsgefährdung

Wissenschaftlich gibt es keinen Beleg für eine Gesundheitsgefährdung durch Infraschall von Windrädern. Aufgeführte Publikationen weisen oft das Problem des “Selection Bias” (Stichprobenverzerrung) auf. Von einem Selection Bias spricht man in der Statistik, wenn durch die Art der Probenahme eine bestimmte Gruppe stark überrepräsentiert ist.

Dazu ein kleines Beispiel:

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Wissenschaftlich ernst zu nehmende Studien konnten bisher (wenn überhaupt) nur einen ganz schwachen Zusammenhang zwischen Abstand vom Windrad und den beschriebenen gesundheitlichen Beschwerden herstellen. Bedeutendere Faktoren als der reine Abstand waren Sichtbarkeit oder wirtschaftliche Beteiligung. Dies widerspricht der Infraschall-These. Hier zwei gute Zusammenfassungen zu diesem Thema: Health Effects Related to Wind Turbine Noise Exposure: A Systematic Review bzw. Summary of main conclusions reached in 25 reviews of the research literature on wind farms and health.

Sehr detailiert beschäftigt sich auch eine ganz aktuelle finnische Studie mit diesem Thema: Infrasound Does Not Explain Symptoms Related to Wind Turbines

Nocebo-Effekt

In der Statistik gibt es den “heiligen” Grundsatz: Eine Korrelation ist nie ein Beweis für eine Ursachen-Wirkungsbeziehung! Statistik liefert nur Auffälligkeiten. Die Aufklärung der Ursachen-Wirkungsbeziehung ist Aufgabe der Fachwissenschaften (Physik, Chemie, Biologie, Medizin). Und da sieht die Beweislage extrem dünn aus:

  1. Die Schalldrücke der Windkraftanlagen im Infraschallbereich sind viel zu niedrig, um einen physikalischen Effekt (z.B. Schädigung Innenohr) auszulösen.
  2. Es existiert bis heute kein Doppelblindversuch, der nahelegt, dass Menschen tatsächlich in der Lage sind, Infraschallsignale in diesen Größenordnungen wahrzunehmen und v.a. aus dem allgemeinen Hintergrundrauschen herauszufiltern.
  3. Es gibt keine überzeugende wissenschaftliche Argumentation, weshalb relative schwache Infraschallsignale von Windrädern gefährlich sein sollen während deutlich größere Schalldrücke, wie sie in PKWs oder neben Trampolinen auftreten, gar nicht diskutiert werden.
  4. Es gibt überzeugende wissenschaftliche Arbeiten, die nahelegen, dass sich das beschriebene Erkrankungsbild ganz ohne Infraschall beim Menschen erzeugen lässt (Nocebo-Effekt).

Foto von Akin Cakiner auf Unsplash Infraschall-die-raubkatze-die-plötzlich-nur-ein-Kätzchen-ist

Link um Originalartikel

Weiterführende Links:

#WindkraftMythen – Das sollte man wissen.

UmweltWissen – Klima und EnergieWindenergieanlagen – beeinträchtigt Infraschall die Gesundheit?

Sonnige Grüße
Klaus Müller

Energiewende-Rocken und eemag


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Windkraftgegner beziehen sich meist auf Infraschallstudien des BGR. Was, wenn es dort einen Rechenfehler geben sollte? Tatsächlich ist genau das der Fall – sehr peinlich. Damit ist wohl das Infraschall-Argument gestorben. Gut so https://t1p.de/vpt3


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Ein Gedanke zu “Infraschall – Gegenwindinitiativen wurde ein Argument geklaut

  • ccaafceddefd?s=&#;d=blank&#;r=g
    Wilhelm Heyne

    Vor allem Mediziner verbreiten das Märchen vom krankmachenden Infraschall. Das ist nichts weiter als Angstmache, wie richtig dargestellt wurde, mit der Nutzung des Nocebo-Effekts. Vergessen wurde dabei, daß Nocebo wirklich krank macht. Sobald also ein Mediziner solchen Unsinn verbreitet und einer seiner Zuhörer die typischen Krankheitserscheinungen zeigt, dann ist das juristisch Körperverletzung und strafbar. Genauer:
    Strafgesetzbuch (StGB) § 223 Körperverletzung
    (1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
    (2) Der Versuch ist strafbar.
    Schlage vor, daß jeder Mediziner, der solchen Blödsinn daherredet, nach § 223 Abs. 2 StGB angezeigt wird, damit er lernt, daß solches zu unterbleiben hat.