Wie weit sind wir mit dem Energy Sharing?

Wie weit sind wir mit dem EnergySharing

Last Updated 22. April 2024

Wie weit sind wir mit dem Energy Sharing?

Kurz gesagt, wir haben nicht mal angefangen. Dabei ist Energy Sharing eine sehr intelligente Möglichkeit die Energiewende zu beschleunigen und das funktioniert mittels Vorteilsgabe an Bürger, Betriebe und die Industrie bei Strompreisen aus Strom von erneuerbaren Energien.

Was läuft bis jetzt, was ist gelaufen?

Seit 2019 fordert die EU die Umsetzung von Energy Sharing von seinen Mitgliedsstaaten. Energy Sharing ist dabei kein festes eingegrenztes Politikinstrument, es bietet einiges an Spielraum für die Mitgliedsstaaten, weil der Energiemarkt in den einzelnen Ländern ganz unterschiedlich gestrickt sein kann. Leider ist es aber keine Vorgabe die eine Umsetzungsfrist hat und deshalb haben es bisher nur wenige Länder umgesetzt. Deutschland hat es zwar aufgegriffen, aber tut sich sehr schwer mit der Umsetzung. Dabei hat Energy Sharing einen enormen Vorteil den man nicht oft genug betonen kann: Energy Sharing kostet kein Geld und löst Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung.

Dazu heißt es in einem Papier des IÖW [1]:

Das Konzept Energy Sharing ist ein aussichtsreicher Ansatz, die weitere Verbreitung der erneuerbaren Energien durch eine gesteigerte Akzeptanz zu unterstützen: Bürger*innen können Windkraft- oder Solaranlagen in ihrer Umgebung mitfinanzieren und den produzierten Strom selbst vergünstigt beziehen. Im Kleinen funktioniert dies bereits mit Photovoltaikanlagen auf Einfamilienhäusern. Wenn mehr Menschen diese Möglichkeit bekommen und sich in Gemeinschaften zusammenschließen, dann können sie auch im Großen mehr erreichen. Die bestehenden Strukturen zur Förderung erneuerbarer Energien sehen dies aktuell allerdings nicht vor. Wie ein solches Energy Sharing ausgestaltet werden kann, beschreibt das Bündnis Bürgerenergie (BBEn) in einem Konzeptpapier. Auf dieser Grundlage hat das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) im Auftrag vom BBEn nun diese Potenzialstudie für Energy Sharing erarbeitet. Zitat Ende

Hier folgt jetzt die Zusammenfassung aus einem Papier des Umwelt-Bundesamts aus dem November 2023. Das ganze PDF habe ich unten verlinkt, es hat insgesamt 57 Seiten.

Kurzbericht Energy Sharing [2]:

Bestandsaufnahme und Strukturierung der deutschen Debatte unter Berücksichtigung des EU-Rechts

Dessau-Roßlau, November 2023

Zusammenfassung

Aktuell werden vermehrt Forderungen und Ausgestaltungsvorschläge für eine Implementierung eines neuen „Energy Sharing“-Konzepts im deutschen Energierecht formuliert. Die vorliegenden Konzepte verfolgen mit einem stärkeren EE-Ausbau, breiter Teilhabe und möglicher Reduktionen des Netzausbaus grundsätzlich Zielsetzungen, die im Sinne der Energiewende zu begrüßen sind. Mit dem Ansatz werden starke Erwartungen in Richtung dieser Ziele verknüpft. Auch wird verstärkt dargestellt, dass Deutschland bei diesem Thema die Umsetzung von EU-Recht versäumt habe. Mit diesem Diskussionspapier möchten wir eine Bestandsaufnahme der vorliegenden Veröffentlichungen und eine Strukturierung verschiedener Aspekte vorlegen, um damit eine bessere Grundlage für weitere Überlegung um die Einführung und Ausgestaltung von Energy Sharing zu schaffen.

Vorgaben für Energy Sharing aus dem EU-Recht
Das EU-Recht fordert, dass das deutsche Recht gemeinschaftlich handelnden Eigenversorgern sowie Mitgliedern von EE- und Bürgerenergiegemeinschaften diskriminierungsfrei ermöglichen muss, den selbst bzw. von der Gemeinschaft erzeugten Strom gemeinsam zu nutzen („Energy Sharing“). Eine finanzielle Förderung ist nicht verpflichtend vorgegeben. Eine zwingende Ausnahme von energiewirtschaftlichen Verpflichtungen bei Stromlieferungen ist ebenfalls nicht vorgesehen. Außer für den Fall der gemeinschaftlichen Eigenversorgung, wird die Einhaltung der Lieferantenpflichten europarechtlich sogar ausdrücklich angeordnet. Damit besteht aus europarechtlicher Perspektive aktuell zwar kein zwingender Handlungsbedarf für den deutschen Gesetzgeber, aber durchaus Handlungsspielräume innerhalb bestimmter rechtlicher Grenzen. Mit Blick auf das laufenden Gesetzgebungsverfahren zur Reform des EU-Strombinnenmarkts könnten sich zudem bezüglich der Versorgerpflichten Ausnahmen für die gemeinsame Nutzung von Energie durch Haushalte und Mehrfamilienhäuser bis zu bestimmten Schwellenwerten und unter Nutzung von Peer-to-Peer-Geschäftsvereinbarungen ergeben.

Charakterisierung von Energy Sharing und verwandter Konzepte
Im derzeit geltenden EU-Recht ist der Begriff des „Energy Sharing“ weder enthalten noch definiert. Er steht als Oberbegriff für eine der Tätigkeiten, der gemeinschaftlich handelnde Eigenversorger, EE-Gemeinschaften und Bürgerenergiegemeinschaften nachgehen können: Nämlich die gemeinschaftliche Erzeugung von Strom durch eine Personenmehrheit, der dann wiederum durch einzelne Personen individuell verbraucht wird.
In der aktuellen energiewirtschaftlichen Debatte in Deutschland wird der Begriff des Energy Sharing in einem spezifischen Kontext verwendet: Hier steht eine dezentrale Versorgung mit EEStrom über das öffentliche Netz ohne Einschaltung eines „klassischen“ Intermediärs im Vordergrund (häufig wird hier der Begriff der „(dezentralen) Direktversorgung“ genannt). In diesem Kontext ist etwa das „Energy Sharing“-Konzept des BBEn et al. (2023) sowie das „Cluster 1“ der von Energy Brainpool entwickelten „Vor-Ort-Versorgung“ (Energy Brainpool 2023) zu verorten.
Dies entspricht auf Ebene des EU-Rechts am ehesten dem „Energy Sharing in einer EE-Gemeinschaft“. Ergänzend werden noch zusätzlich das „Cluster 2“ des „Vor-Ort-Versorgung“-Konzepts und der Ansatz der Bürgerwerke e.G. betrachtet. Diese Modelle sind kein Energy Sharing im oben definierten Rahmen, adressieren jedoch einzelne Ziele des Energy Sharings, sodass deren Betrachtung für die weitere Diskussion hilfreich sein kann.

Die Homepage www.rescoop.eu bietet einen Überblick zum Umsetzungsstand von Energy Sharing Konzepten in EE-Gemeinschaften in den einzelnen Ländern der EU. Diese wurde als Grundlage für einen Vergleich ausgewählter EU-Mitgliedsstaaten verwendet. Der räumliche Bezug wird in den meisten Ländern über die genutzten Netzebenen oder einen Radius um die Erzeugungsanlage definiert, in manchen Ländern jedoch auch anhand von Verwaltungsgrenzen wie Postleitzahlengebieten. Auffällig ist, wie stark sich die Obergrenzen für die Leistung der teilnahmeberechtigten Anlagen unterscheiden. Sie liegt zwischen keiner Größenbeschränkung und nur
relativ kleinen Anlagen von bis zu 100 kW.
Die Anreizstrukturen für Energy Sharing sind in den einzelnen Staaten sehr unterschiedlich, hier gibt es keine EU-Vorgabe. Während es in manchen Ländern eine finanzielle Förderung für die Energy Sharing-Strommengen gibt (Italien, Niederlande), gibt es in einigen Ländern überhaupt keine Erleichterungen (Belgien, Irland, Frankreich) und in einigen Beispielen eine indirekte Förderung über die Reduzierung von Gebühren oder Netzentgelten (Österreich, Italien, Portugal, Spanien, Polen). Die gezielte Berücksichtigung von vulnerablen Haushalten ist in den meisten Staaten noch nicht vorhanden oder nur sehr vage formuliert.

Ziele von Energy Sharing
In der aktuellen Diskussion zur Einführung eines neuen Energy Sharing Konzepts in Deutschland werden eine große Anzahl an Zielen, Erwartungen und Vorteilen aufgeführt. Nach unserer Auffassung lassen sich diese in die drei Hauptziele Zubausteigerung von EE-Anlagen, erhöhte Teilhabe und Reduktion des Netzausbaus sowie einiger vorgelagerter Ziele gliedern. Quantitative Angaben zum Effekt von Energy Sharing basieren bisher primär auf IÖW (2022). In der Interpretation der Ergebnisse wird meist nicht berücksichtigt, dass die Potenziale (75 GW EEZubau und Versorgung von 90 % der Haushalte mit Energy Sharing Produkten) theoretische Maximalwerte darstellen. Wie stark diese gehoben werden können, hängt sehr stark von der regulatorischen Ausgestaltung, insbesondere bezüglich einer Förderung, aber auch der Komplexität des Ansatzes ab. Es bleibt auch offen, ob durch diesen Ansatz tatsächlich Bevölkerungsgruppen, die bisher noch nicht an der Energiewende partizipiert haben, tatsächlich adressiert werden können. Oder ob sich hier nicht einfachere Instrumente mit einer stärkeren Breitenwirkung finden lassen bzw. bestehende ausgebaut werden können. Für die Netzausbaureduktion konnte aus den vorliegenden Studien, wenn überhaupt, nur eine geringfügige Auswirkung des Energy Sharing auf den Infrastrukturbedarf im Verteilnetz abgeleitet werden. Insbesondere ob sich durch Energy Sharing ein Vorteil für die Netzausbaukosten ergibt, wurde bisher nicht untersucht.
Insgesamt kann festgestellt werden, dass zwar hohe Erwartungen bezüglich der Auswirkungen von Energy Sharing auf die drei Kernziele EE-Ausbau, Teilhabe und Netzausbau-Reduktion bestehen, die quantifizierbaren Vorteile jedoch noch nicht klar sind. Insbesondere ist auch die Frage unbeantwortet, ob Energy Sharing im Vergleich zu anderen Politikinstrumenten in Bezug auf Mehrkosten, Komplexität, Breitenwirkung in der Bevölkerung und Effektivität tatsächlich besser abschneidet.

Handlungsoptionen, Kernelemente eines möglichen Konzeptes und Vorgaben aus höherrangigem Recht
Aus den durchgeführten Analysen und Überlegungen ergeben sich die drei Handlungsoptionen, dass keine Anpassung im deutschen Energierecht vorgenommen wird, eine Kosten-NutzenAnalyse zu ausgewählten Energy Sharing Konzepten durchgeführt wird oder ein neues Energy Sharing Konzept eingeführt wird.
Aus dem aktuellen EU-Recht ergibt sich, über die Ermöglichung der gemeinschaftlichen Eigenversorgung hinaus, keine Pflicht zur weitergehenden Förderung von Energy Sharing. Daher besteht für den Gesetzgeber grundsätzlich die Option, neben der künftig angedachten gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung, keine weiteren Anpassungen im deutschen Energierecht durchzuführen (Option 1). Stattdessen könnte es Energieversorgern (inklusive genossenschaftlichen Akteuren) überlassen bleiben, konkurrenzfähige Energy Sharing Produkte ohne zusätzliche
Förderung zu entwickeln. Die noch stark lückenhafte Analyse zu den Wirkungen könnte als weitere Option mit Hilfe einer Kosten-Nutzen-Analyse für Energy Sharing Konzepte verbessert werden (Option 2). In dieser Untersuchung sollten die drei Hauptziele des Energy Sharing jeweils mit alternativen Umsetzungsoptionen bzw. Politikinstrumenten verglichen werden. Falls ein neues Energy Sharing Konzept in Deutschland ermöglicht werden soll (Option 3), sollten von der Politik mindestens die folgenden sechs Aspekte ausgestaltet werden.

1. Soll ein lokaler Bezug zwischen den Standorten der EE-Anlagen und den Mitgliedern vorgegeben werden und wie wird dieser definiert?
2. Wird eine Zeitgleichheit (typischerweise 15 Minuten) zur Bilanzierung der EE-Erzeugung und des Stromverbrauchs gefordert?
3. Können am Energy Sharing nur EE-Anlagen teilnehmen oder auch konventionelle Stromerzeuger?
4. Umfasst das Energy Sharing Konzept nur Anlagen, die dafür zusätzlich installiert wurden oder auch Bestandsanlagen?
5. Soll eine maximale Anlagengröße oder EE-Leistung je Gemeinschaft vorgegeben werden?
6. Soll eine Privilegierung für Energy Sharing erfolgen oder sollen Energy Sharing Produkte im aktuellen regulatorischen Rahmen entstehen?

Dass es EU-rechtlich keine Pflicht für den deutschen Gesetzgeber zur weitergehenden Förderung von Energy Sharing gibt, heißt nicht, dass eine solche rechtlich nicht möglich wäre. Eine Förderung könnte somit eingeführt werden. Hierbei wären bestimmte rechtliche Rahmenbedingungen, v. a. des EU-Beihilfenrechts, in Abhängigkeit von der Art der Förderung und des zu fördernden Adressatenkreises zu beachten. Bei einer Reduktion von Netzentgelten wäre zudem die Besonderheit zu beachten, dass hierfür nicht der Gesetzgeber, sondern die Bundesnetzagentur (BNetzA) zuständig wäre. Bezüglich einer Förderung mittels Reduzierung regulatorischer Hemmnisse, wie etwa Lieferantenpflichten, ist zu beachten, dass diese, außer im Fall der gemeinschaftlichen Eigenversorgung, selbst EU-rechtlich angeordnet werden und insofern derzeit kein Spielraum für Erleichterungen besteht. Für einen begrenzten Anwendungsbereich könnten sich allerdings Ausnahmen im laufenden EU-Gesetzgebungsverfahren zur Reform des EU-Strombinnenmarkts ergeben.

Ende der Zusammenfassung.

Energy Brainpool hat für das Umweltbundesamt und das BBEn die Vorgaben des Energy Sharing aus der EU analysiert und aufgearbeitet [3].

Wir bleiben auf jeden Fall dran an der Frage, wie weit sind wir mit dem Energy Sharing?

Sonnige Grüße
Klaus Müller

Energiewende-Rocken


Papier des IÖW [1] https://www.ioew.de/fileadmin/user_upload/BILDER_und_Downloaddateien/Publikationen/2022/Energy_Sharing_Eine_Potenzialanalyse_1.pdf

Kurzbericht Energy Sharing [2]  https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/11850/publikationen/06112023_46_2023_cc_energy_sharing.pdf

Energy Brainpool [3]

Energy Sharing jetzt

#EnergySharing macht Energie deutlich billiger – Energiewendewissen

 

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