Last Updated 18. Dezember 2018
Daniel Kray, Professor für Erneuerbare Energien, Hochschule Offenburg, hat einen wunderbaren Artikel geschrieben, der ganz und gar unsere Meinung trifft. Er wurde in energiezukunft.eu unter dem Titel, Groko-Klimafolklore: Game Over, veröffentlicht und wir trauen uns, ihn hier auch zu veröffentlichen, obwohl wir noch nicht nachgefragt haben. Wir werden das sofort nachholen, aber der Artikel ist einfach wichtig und muss raus.
Daniel Kray – 17.12.2018
Seit Monaten setzt es von links und rechts schallende Ohrfeigen für Schwarz-Rot. Verdorrende Felder, verpestete Stadtluft, Hitzewellen, betrügerische Autohersteller, entschlossene Menschen in Baumhäusern, ein Toter bei der Hambi-Räumung, Hunderttausende Unterschriften unter Anti-Kohle-Petitionen, mutige Gerichtsurteile für saubere Luft, Zehntausende auf Demos zum Kohleausstieg, Tesla wertvoller als BMW und Daimler, erdrutschartige Verluste bei Landtagswahlen. Leere Hände in Kattowitz.
Die Bundesregierung?
Beschließt das nächste Solar-Behinderungsgesetz und räumt weiter mit Gewalt den Hambacher Forst. Wie trotzige Kinder im Sandkasten: „Jetzt erst recht!“. Als hätten sie heimlich einen Planeten B gefunden. Hunderte Wissenschaftler haben jahrelang am aktuellen IPCC-Bericht gearbeitet und uns das klare Pflichtenheft für die entscheidenden nächsten fünf Jahre geschrieben. Null-Emissionen bis 2035. In Strom, Wärme, Verkehr und Landwirtschaft.
Die Bundesregierung?
Ignoriert die Fakten und bekämpft die Erneuerbaren. Und bekennt sich gleichzeitig zum Paris-Abkommen. Absurd und schlimmer als Trump: Dessen falsche Taten passen zumindest zu seinen Worten – seiner Leugnung des Klimawandels. In Deutschland wird die Bevölkerung für dumm verkauft: Das Paris-Abkommen wird öffentlich unterstützt, die Ziele aber in keiner Weise konkret angestrebt. Diese Appeasement-Strategie der Groko ist endgültig gescheitert: Denn durch Versagen im Klimaschutz werden nun endlich Wahlen verloren. Hessen und Bayern lassen grüßen. Eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht wegen unzureichendem Klimaschutz wurde eingereicht. Game Over.
Warum diese hartnäckige Weigerung der Regierung, die Bevölkerung zu schützen? Cui bono?
Als die von Rot-Grün durch das EEG gestartete Energiewende Fahrt aufnahm und wir 2010 bis 2012 pro Jahr mehr als 7 Gigawatt Photovoltaik in Deutschland installierten, sanken die Börsenkurse von RWE, EnBW und E.ON um ca. 80 Prozent. Strom zur Mittagszeit wurde dank PV so günstig wie nie, das Geschäftsmodell der „Alten 3“ war geplatzt. Eine gezielte Kampagne zur Diskreditierung der Energiewende durch eine Lobbyorganisation bog die Politik leider um. Seither wurde die deutsche Erneuerbaren-Industrie von wechselnden Wirtschaftsministern konsequent bekämpft und 80.000 Arbeitsplätze vernichtet.
Der PV-Zubau dümpelt bei etwa 10 Prozent des für das Paris-Abkommen Notwendigen. Das „Recht auf Sonne“ wird uns mehr und mehr verweigert. Aber die Aktienkurse von RWE, EnBW und E.ON haben sich durch die Bundespolitik auf niedrigem Level stabilisiert.
Der Zusammenhang ist offensichtlich: Diese Unternehmen haben strategisch dafür gesorgt, dass die öffentliche Hand in ihre Aktien investiert, sodass die Haushalte in Bund, Ländern und Kommunen zum Teil erheblich von ihren Dividendenzahlungen abhängig sind. Ein Teufelskreis! Das Funktionieren der Demokratie ist abhängig vom Profit von Unternehmen, die unsere Lebensgrundlagen zerstören?
Aber die Arbeitsplätze!
Reflexartig werden Beschäftigung und Klimaschutz gegeneinander ausgespielt. Kann man so machen, ist dann aber großer Unsinn. Die globalen Disruptionswellen rollen, ob deutsche Manager*innen oder Politiker*innen es so wollen oder nicht. Bis 2030 wird es die fossil-nuklearen Energien und den Verbrennungsmotor nur noch in Nischen geben. The trend is your friend – diese einfache Börsenweisheit könnte beim notwendigen Umbau der (jetzt noch) großen Energie- und Autokonzerne helfen.
Tatsächlich zeigt die Geschichte leider, dass gerade große Firmen bis zum Konkurs an überholten Produkten festhalten. Die Politik könnte ihnen helfen, z.B. ein Ende des Verbrennungsmotors und der Kohleverstromung bis 2025 beschließen. Dies gäbe den vernünftigen Kräften in den Unternehmen die Rückendeckung, den notwendigen Strukturwandel jetzt anzustoßen und zumindest einen Teil der Firmen in die Zukunft zu retten. Stattdessen geht es volle Fahrt in die Vergangenheit, als ließe diese sich krampfhaft konservieren, wenn man den Kopf nur tief genug in die Erde steckt.
Asia and America first
Wenn Tesla bereits Millionen saubere Autos pro Jahr verkauft, haben Daimler & Co. keine nennenswerte eigene Batterieproduktion, hängen am Tropf der asiatischen Hersteller, müssen Millionen dreckige Verbrenner nachrüsten und für ihren Abgasbetrug Schadenersatz in Milliardenhöhe zahlen. Eine direkte Ursache der fehlenden bundespolitischen Rahmensetzung zur Elektromobilität. Gleichzeitig gibt es in den entscheidenden Zukunftstechnologien Solar, Wind, Batterien und Elektroautos bald keine nennenswerte Produktionskette in Deutschland mehr. Asia and America first.
Wenn man vor acht Jahren, als Deutschland solarer Weltmarktführer war, von außen überlegt hätte, wie die deutsche Wirtschaft am effektivsten zu zerstören sei – die tatsächliche deutsche Wirtschaftspolitik wäre im Nachhinein eine hervorragende Blaupause gewesen. Die Groko führt uns geradewegs aus der Abhängigkeit vom Import fossiler Energieträger in die Abhängigkeit vom Import von Solarmodulen, Batterien und Elektroautos. Dies kommt quasi einer Deindustrialisierung gleich.
Compliance Code und Management mit Rückgrat
Wir brauchen einen Compliance Code für die öffentliche Hand, der die Finanzströme kappt: Kein öffentliches Investment in Unternehmen, die mit fossilen Energieträgern, Atomkraft oder Waffen zu tun haben. Die ehemals großen Energieversorger haben sich als nicht anpassungsfähig für die neue Energiewelt erwiesen: Nennen wir sie Kodak 2, 3 und 4. Ihre fossil-atomaren Investitionsruinen sind wie die Analogfotografie aus dem Jahr 1995 und damit bald Geschichte.
Für die Zukunft haben sie keine Ideen. Sie werden auf Größe von Nischenanbietern schrumpfen und sind daher auch schlicht ein schlechtes Investment. Ohne visionäres Management mit Rückgrat sind sie die großen Verlierer in der sauberen Energiedisruption, die gerade weltweit stattfindet. Und für die Mutigen wirtschaftliche Chancen im Billionen-Euro-Bereich schafft.
Braucht es einen grünen Kanzler?
Wenn die Groko sich weiter taub stellt für die Herausforderungen des Klimawandels und stattdessen die „Angst für Deutschland“ durch sinnlose Migrationsdiskussionen stärkt, dann wird sie wahrscheinlich abgewählt. Genau das geschieht in diesem Moment: Im der Forsa-Umfrage vom 1. Dezember 2018 sind die Grünen nur noch fünf Prozentpunkte hinter der CDU. Vielleicht braucht es erst eine grüne Kanzlerin oder einen grünen Kanzler? Vielleicht muss die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg sich vorher aber auch noch von ihrer Mehrheitsbeteiligung an EnBW trennen, um ein Zeichen für den möglichen Umbruch mit Grün zu setzen. Klar ist: Diese Regierung wird zerbrechen, wenn sie sich nicht in dem Maße dem Schutz der Lebensgrundlagen ihrer Bevölkerung annimmt, der durch wissenschaftliche Fakten nun geboten ist. Jetzt. Nicht erst in ungewisser Zukunft.
Und, ja: HAMBI BLEIBT!
Daniel Kray ist seit 2012 Professor für Erneuerbare Energien an der Hochschule Offenburg und 2. Vorstandsvorsitzender des Solarenergie-Fördervereins Deutschland e.V.
Vielen Dank an Prof. Daniel Kray für den Artikel und vielen Dank an energiezukunft.eu für die Veröffentlichung.
Locker bleiben und Energiewende-Rocken
Euer Klaus Müller