Last Updated 12. Oktober 2020
Solarenergie – Verdrängungsmanöver seit 35 Jahren
„Quot licet bovi, not licet jovi“ – Was dem Jupiter erlaubt ist, darf der Ochs lange noch nicht.
Die Welt ist wie sie ist und mancher meint, man könne sie auch nicht ändern. Hermann Scheer, einer der größten in der Energiewende, machte daraus, „Was Jupiter, der etablierten Energieversorgung erlaubt ist, soll dem Rindvieh, den Erneuerbaren Energien noch lange nicht zustehen.“ Und er schreib in seinem Buch, Der Energethische Imperativ [1] weiter: „Außer wenn es um staatliche Forschungsförderung geht, habe ich in den 25 Jahren, in denen ich politische Initiativen zur Durchsetzung erneuerbarer Energien vorgeschlagen, eingeleitet oder begleitet habe, keinen Einwand öfter gehört als den, diese seien mit den Marktprinzipien unvereinbar.“
Das schrieb Scheer vor elf Jahren und weiter, schrieb er „Die noch junge Geschichte der politischen Förderung erneuerbarer Energien ist ein ständiger „roll back“-Versuch im Namen einer „marktwirtschaftlichen“ und damit vermeintlich produktiven Lösung. Eindringlich wird vor Schnellschüssen gewarnt, [nur] „nicht zu viel fordern“, weil das den erneuerbaren Energien „nur schaden“ und ihre marktgemäße Produktivitätsentwicklung beeinträchtigen würde.
Besonders lautstark und beharrlich wurden und werden diese Beschwerden von den Energiekonzernen vorgebracht, die eine marktbeherrschende Stellung haben, zu der sie nicht über ihre Bewährung „am Markt“ sondern durch die politische Protektion gelangt sind. Bei ihrer offensichtlich heuchlerischen Forderung, erneuerbare Energien müssten sich „auf dem Markt durchsetzen“, wird ihnen von Wirtschaftsforschungsinstituten sekundiert – auch [von] solchen, die nicht auf der Honorarliste für die Studien der Energiekonzerne stehen.“
Soweit Hermann Scheer. Wenn wir die letzten 10 Jahre betrachten die er leider nicht mehr miterleben durfte, dann spitzt sich dramatisch zu, was er hier angedeutet hat. Die alten Energiekonzerne erweisen sich als völlig marktfremd, sie waren es immer schon, sie waren die Monopolisten und sie hatten nicht die Aufgabe einen Markt zu erobern. Sie mussten keine Kunden gewinnen, sie hatten sie einfach. Aber sie wollten der Konkurrenz erklären, diese müsse sich am Markt bewähren, einem Markt an dem sie sich nie bewähren mussten.
Ansich war es aber ihr „natürlicher“ Schutzmechanismus alles was gegen sie arbeitet vom Markt zu drängen. Das ist in den letzten 10 Jahren geschehen, nachdem man vorher entdeckt hatte, dass Erneuerbare „komischerweise“ immer billiger wurden [3].
Das größte Manöver dabei war es, die Solarenergie aus Deutschland zu jagen und die Nachfrage über eine orchestrierte Kampagne [2] zum erliegen zu bringen. Ein Teil von dieser Kampagne war die Schaffung des #eegParadoxon in der zwanghaft der Öffentlichkeit dargestellt wurde, dass die Kosten der Erneuerbaren und besonders der Solarenergie unisono zu hohen Stromkosten für die Verbraucher führen. Aber so war es eben nicht wie diese Grafik zeigt. Dass dies von den Medien nie aufgegriffen wurde, muss einem umfassenden Versagen der Medien zugeschrieben werden.
Wenn selbst Jürgen Döschner [4], einer der bekanntesten Journalisten in einer Facebook-Diskussion (in 2016) [5] erklärt, die Vorgänge um das EEG-Paradoxon sind derart kompliziert, dass er selbst ohne die Hilfe einer aufrechten Bloggerin nie dahinter gekommen wäre was da genau gelaufen ist und es ihm kaum möglich erscheint, diese komplexe Materie zum Beispiel in einem Monitorbeitrag ausrollen und erklären zu können, denn dafür braucht es eben sehr viel mehr Zeit, als ihm in so einer Sendung zur Verfügung steht, dann leben wir jetzt exakt 10 Jahre lang mit einer Lüge, die immer noch alle Entscheidungen in der Energiepolitik rechtfertigt, begründet und steuert.
Der nächste Schlag, und es wären noch viele zu nennen, ist die Verscherbelung bzw. die Abtretung des Atommülls an die Bürger [6]. Der Staat und damit wir alle, haben jetzt die exorbitanten Kosten für dieses Mülls zu tragen. Nach einer Lösung, und vor allem nach einer marktwirtschaftlichen Lösung sieht das nicht aus. Genauso nicht alle anderen Wege, die man nach wie vor in der Energiepolitik geht, die zwanghaft versucht Erneuerbare irgendwie in die Energiewirtschaft einzugliedern.
Vielleicht ist ja der Plan, alte Wege weitergehen zu wollen und etwas einzugliedern, dass der alten Energiewirtschaft so grundsätzlich entgegengesetzt in der Technik ist, doch noch einmal zu überprüfen. Eine Überprüfung hat Hermann Scheer immer schon angemahnt, wenn er folgendes sagt:
„Der Wechsel zu hundert Prozent erneuerbaren Energien bedeutet den umfassendsten wirtschaftlichen Strukturwandel seit dem Beginn des Industriezeitalters. Ein Strukturwandel ohne Verlierer und Gewinner ist undenkbar. Verlierer werden unweigerlich die Anbieter der konventionellen Energien sein – in welchem Ausmaß das der Fall ist, hängt von ihrer Fähigkeit ab, sich an Haupt und Gliedern umzustrukturieren, sich mit drastisch sinkenden Marktanteilen abzufinden und neue Tätigkeitsfelder für sich zu finden, die KEINE ENERGIEWIRTSCHAFTLICHEN mehr sein werden.
Versuche der Verliererrolle in diesem Wandlungsprozess zu entkommen und ihre zentrale energiewirtschaftliche Rolle zu behalten, führen zu widersprüchlichen und teuren Verlangsamungsstrategien.
Die Gewinner des Wechsels werden die Weltzivilisation insgesamt und Gesellschaften und Volkswirtschaften sein, und in diesen die Technologieunternehmen sowie viele lokale und regionale Unternehmen. Es wird auf jeden Fall entschieden mehr Gewinner des Energiewechsels als Verlierer geben. Einem großen Teil der Gewinner sind die Chancen noch nicht bewusst, weshalb sie noch auf der Gegenseite stehen. Den größten Einfluss auf das praktische Geschehen haben derzeit noch die etablierten potentiellen Verlierer, den geringeren die noch längst nicht etablierten Gewinner.“
Zitat Ende.
Es ist ja schon schlimm genug, dass Scheer nach seinem viel zu frühen Tod, damit die Entwicklung auch für die nächsten Jahre vorhergesagt hat. Es ist schlimm, wie hoch die Kosten sind die in dieser Zeit verursacht wurden. Und man will das mit allen Mitteln aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit drücken. Dabei möchte ich gar nicht auf die Kosten der Atomenergie abzielen. Ich rede nur von Arbeitsplätzen.
Wenn wir in der Solarenergie 120.000 Arbeitsplätze hatten und die dann auf 40.000 „reduziert“ wurden und wir inzwischen in der Windenergie weiteren 40.000 Arbeitsplätzen nachtrauern, was aber in der Öffentlichkeit und von den Medien nicht thematisiert wird, und man statt dessen die Kosten von Arbeitsplätzen, die im Bereich Kohle wegfallen werden, mit Milliarden Summen beziffert, dann haben wir eine gewaltige Schieflage. Bei genauer Betrachtung haben wir es in der Kohle mit 18.000 Arbeitsplätzen zu tun, wovon 12.000 in den nächsten 10 Jahren verrentet werden. Es bleiben zum Schluss 6.000 um die man sich kümmern muss. Effektiv sind das aber nicht mal 10% der neuen zukunftsträchtigen Arbeitsplätze bei Solar und Wind, die absichtlich vernichtet wurden. Nicht nur bei der Solarenergie, auch jetzt bei der Windenergie wurde nachgeholfen, was noch zu klären sein wird und was nach und nach untersucht werden wird.
Es dürfte doch klar sein, dass Wind- und Solarenergie auf der ganzen Welt die Zukunftsenergien sind, und nicht die Kohle und auch nicht Atomenergie. Auch wenn wir ständig hören, die anderen würden aber massiv Kohle und Atom ausbauen. Das Gegenteil ist auch hier der Fall. Alle Planungen werden immer weiter zusammengestrichen.
Auch solche Botschaften gehören weiterhin nur zu dieser Verlangsangungsstrategie [7]. Wenn wir davon reden, ein Exportland zu sein, dann sollten wir schauen wo die Reise hingeht und was die Zukunftsmärkte sind. Und allen Wachstumskritikern sei gesagt, ein Wachstum bei erneuerbaren Energien bedeutet eine viel massivere Schrumpfung bei den alten Energien, vor allem bei deren Ressourcen, die wir nur einmal verheizen können, dann sind sie weg. Erdöl, das durch einen Auspuff oder Kamin verbrannt wurde muss durch neues Erdöl ersetzt werden. Solaranlagen die 30 bis 40 Jahre Strom erzeugen werden recycelt und es muss kein neues Silizium verwendet werden. Das gilt ebenso beim Akkus wo das Lithium oder das Kobalt nur einmal ausgegraben werden muss. Danach hält es theoretisch für hunderte Generationen Akkus, denn man kann es recyceln.
Allein schon wegen des Klimawandels sind erneuerbare Energien nachgefragt und es sind die kostengünstigsten Energiequellen weltweit, und es wäre völlig unverständlich, weshalb ausgerechnet Deutschland sich seiner Energie nicht bemächtigen sollte, wenn es sie doch so günstig gemacht hat.
Und bitte, bitte hört auf zu erklären, wir könnten keine Solar- und Windenergie. Wir können das und wir können vor allem Solarenergie genauso billig wie die Chinesen. Wir sollten es nur wieder wollen. Das dabei automatisch Verlierer herauskommen werden, die alten Energiekonzerne, hat Hermann Scheer beschrieben. Machen wir es nicht, dann werden unsere Kinder die Verlierer sein.
Sonnige Grüße
Klaus Müller
Dieser Artikel ist auch im eemag veröffentlicht
Weiterführende Links
[1] Leseprobe, Hermann Scheer – Der Energethische Imperativ
[2] Orchestrierte Kampagne gegen erneuerbare Energie
[3] Wind & Sonne günstiger als Kohle & Atom
[4] Jürgen Döschner
[5] Diskussion mit Jürgen Döschner
[6] Bundesregierung beschließt Milliardendeal mit Atomkonzernen
[7] Weitere Verlangsangungsstrategien und Kampagnen
[8] Energiewende beschleunigen – die beste Idee