Die falsche Expertin der Anne Will – Messari-Becker 5

Die falsche Expertin - Lamia Messari-Becker

Last Updated 24. April 2023

Veröffentlicht: 27.3.2023

Medienversagen auf ganzer Linie – Anne Will

Gestern Abend lief bei Anne Will eine Diskussionssendung zur Energiewende: Schluss mit Gas, Öl, Diesel und Benzin – Hat die Ampel dafür einen Plan? Der übliche Plan, der in solchen Sendungen verfolgt wird, ist, ein Für und Wider des Themas herauszuarbeiten. Wir kennen das und eigentlich klingt das logisch, besonders dann, wenn Journalismus von dem Thema selbst überfordert ist. In dem Fall lädt man sich Experten ein. Die einzige „Expertin“, die Frau Will eingeladen hatte, war Frau Lamia Messari-Becker, Professorin für Gebäudetechnologie und Bauphysik an der Universität Siegen und leider ist diese Frau bereits mehrfach in solchen Sendungen durch jede Menge Falscheinschätzungen und schlichtem Nicht-Wissen aufgefallen. Die falsche Expertin der Anne Will – Messari-Becker.

Hier die Sendung in der ARD-Mediathek. https://www.ardmediathek.de/video/Y3JpZDovL25kci5kZS9iYzY1ZTViMC1lYzJlLTQzZGYtOTZkZC00ODBkNmQzODcxOTY oder auf YouTube.

https://youtu.be/iJxs-_ckNog

Allein die Tatsache, dass in dem Fall mindestens ein Experte der Gegenseite fehlte, z.B. Prof. Volker Quaschning, legt an der Stelle ein Totalversagen dieser wichtigen Talkshow offen. In der Klimadebatte hatten wir solche Fehler bereits. Damals wurden Klimaleugner gleichberechtigt zu Klimawissenschaftlern eingeladen, weil sich nach Meinung der Journalisten zwei wissenschaftliche Meinungen gegenüberstanden. Sehr eindeutig handelte es sich hierbei aber um eine False Balance, also eine falsche Ausgewogenheit, denn die Gegenmeinung, es gäbe keinen anthropogenen Klimawandel, hatte natürlich keinen Bestand und wurde nur von sehr wenigen Wissenschaftlern vertreten, die am Ende aber nicht mal ausreichende Beweise haben vorlegen können. Es ging ihnen darum, ausreichend Zweifel zu schüren, und selbstverständlich gab es daran natürlich wirtschaftliche Interessen.

False Balance und der Brüggeman-Effekt

Einen solchen „Spuk“ kann man sehr schnell beenden, dafür braucht es aber konzentrierte Schulungen für Journalisten. Prof. Michael Brüggemann hatte das damals übernommen und bereits nach wenigen Monaten hat man keine Klimaleugner mehr in den Sendungen gesehen. Interessant daran war, den Journalisten war damals nicht bekannt, wer hier eigentlich ein Interesse hatte einen Klimaschutz zu verhindern. Das waren fossile Konzerne und leider haben die, doch eine sehr „gute und nachhaltige“ Arbeit geleistet, obwohl der Spuk mit den Klimaleugnern in Deutschland recht schnell beendet war, denn immerhin wurde der Klimaschutz in Deutschland mehr als ein Jahrzehnt lang ausgebremst inkl. der fast kompletten Vernichtung der Solarbranche und der Windbranche. Brüggemanns Ansatz war dabei sehr effektiv und deshalb müssen wir diesen Ansatz auch in der Energiewendedebatte einführen, denn Medien haben es in der Hand, wie die Energiewende vermittelt wird und ob wir sie noch rechtzeitig umsetzen. Ich nenne diesen Ansatz inzwischen den Brüggeman-Effekt, wonach Medienschaffende zunächst geschult werden müssen, um technisches Wissen, aber auch Wissen um die sozial/wirtschaftlichen Umstände der Energiewende vermittelt zu bekommen. Dann würden Leute wie Messari-Becker nicht mehr eingeladen werden oder sie würden einsehen, dass sie mit ihren verqueren Argumenten nicht mehr durchkommen werden.

Auch wenn man Frau Messari-Becker nicht nachweisen können wird, dass sie im Sinne von fossilen Interessen handelt, so argumentiert sie faktisch in deren Interesse und das, bereits in mehreren Sendungen und das über Jahre. Ebenso wichtig ist aber zu sehen, wie „treffsicher“ Fernsehredaktionen solche Leute einladen und natürlich immer wieder diese False Balance nutzen. Die Sendung von Anne Will ist hier ein wichtiges Beispiel, denn ihre Redaktion arbeitet bereits privatwirtschaftlich. Alles an Recherche und Redaktionsarbeit liegt nicht mehr bei den Mitarbeitern der ARD, sondern bei ihrer eigenen Firma, der Will Media GmbH. Damit ist ein Eindringen fossiler Interessenvertreter durchaus leichter möglich.

Wo liegt Messari-Becker falsch?

Von Anfang an gibt sich Messari-Becker durchaus fortschrittlich, indem sie bei der E-Fuelsdebatte sachlich argumentiert. Insgesamt aber vermittelt sie falsche Bilder zur Energiewende. Und ausgerechnet Anne Will macht hier den Anstoß mit einer Frage, die es in sich hat, die aber so gar nicht gestellt werden sollte. „Ist es richtig“, fragt sie Frau Messari-Becker, „sich bei der Mobilität und auch beim Heizen auf eine Stromgetriebene Technik zu fixieren“. Die Frage ist deshalb falsch gestellt, weil sie eine Hoffnung erweckt, der wir uns nicht hingeben können. Das was zu geschehen hat, ist jetzt den CO2-Ausstoß im Laufe einer kurzen Zeit auf Null zu reduzieren. Das weiß Anne will aber, dennoch stellt sie die Frage und man hat den Eindruck, diese einfache Wahrheit hätte sie nicht begriffen. Daraus ergibt sich automatisch die Tatsache, man muss die Energie, die bisher fossil/atomar erzeugt wurde durch Erneuerbare Energien ersetzen. Schaut man sich die Situation in Deutschland an, dann haben wir keine andere Möglichkeit und die wenigen Ausnahmen wie z.B. die Nutzung von Biomasse oder Geothermie werden wir niemals vergrößern können. Niemals bedeutet aber, in der Zeit die uns zur Verfügung steht, haben wir keine Chance daran etwas zu verbessern. Die eindeutige Antwort von Messari-Becker hierzu ist ein klares Nein. 

Sie begründet das dann weiter damit, dass wir im Gebäudebereich ganz unterschiedliche Situationen haben, z.B. wegen regionaler Verschiedenheiten, oder unterschiedlicher technischer Voraussetzungen. Und dann folgt ein Scheinargument: „Es gibt nicht die eine Lösung die für alle Gebäude gut funktioniert“. Und sie führt weiter aus: „Für den einen wird es die Wärmepumpe sein, …. für den anderen ist es Fernwärme (oder) Geothermie, es gibt autarke Lösungen, es gibt Wasserstofflösungen, ohne dass man Wasserstoff der Industrie wegnimmt, sondern selbst hergestellter Wasserstoff mit eigens erzeugtem Photovoltaikstrom“. Allein zu diesem selbst hergestellten Wasserstoff muss gesagt werden, dass diese Anwendung derart teuer ist und zusätzlich aber eine schwache Ausbeute hat, mit der an ein Heizen mit Wasserstoff kaum zu denken ist. Für Anlagen im Einfamilienhaus spricht man von Kosten bis zu 140.000 EUR, sodass hier nicht die Hoffnung bestehen kann, dass sich daran in einer angemessenen Zeit technisch und finanziell etwas verbessern wird. Zu den Fernwärmeanlagen komme ich gleich noch.

Aber Messari-Becker legt jetzt erst richtig los und beschwert sich: Was wir jetzt aber machen, das ist glaube ich der Grundfehler der Diskussion um die Energiewende, wir haben eine stromfokussierte Energiewende. Da haben wir mit Photovoltaik und Windstrom im Moment 40 %, teilweise 50% Anteil Erneuerbarer Energie. Das kann man als Erfolg verbuchen. Was ich nicht als Erfolg verbuche ist, dass wir im Wärmebereich gerade einmal 16% Anteil Erneuerbarer Energie … (haben). Und mich nervt es, dass jetzt sich die Parteien gegenseitig immer nur die Schuld geben, wenn wir zurückblicken, 30 Jahre zurück, … in der Zeit wurde das Erneuerbare-Energien-Vergütungsgesetz erlassen …. und da war es einfach auch möglich auch damals schon die Weichen zu stellen um auch eine Wärmewende hinzubekommen.

Die letzte Behauptung ist hochgradige Schwurbelei von Frau Messari-Becker, denn zu der Zeit um 1990 herum, glaubte kein Mensch in Deutschland daran, dass die Energiewende auch einmal für Wärme oder Mobilität in einem großen Maße zuständig sein könnte. Ja, und man muss das so laut sagen das ist hochgradige Schwurbelei. Lamia Messari-Becker ist 1973 in Marokko geboren und lebte dort bis 1992 (Wikipedia). 1992 reiste sie in die Bundesrepublik Deutschland ein, um zu studieren. Nach einem Sprachkurs in Krefeld absolvierte sie das Staatliche Studienkolleg an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Sie studierte anschließend an der Technischen Universität Darmstadt Bauingenieurwesen und erhielt 2001 ein Diplom. Sie fantasiert sich mit diesem Hintergrund hier also etwas zusammen, dass es so niemals gegeben hat. Tatsächlich hatten wir auch schon in den 80er Jahren die ersten Überlegungen und technischen Umsetzungen, dass man mit der Sonne Wasser erwärmen kann, dass aber eben nur im Sommer. An Photovoltaik als ernstzunehmende Technik war auch 1990 noch nicht zu denken, denn zu der Zeit waren die Preise für diese Technik reine Mondpreise und die Technik musste übermäßig stark gefördert werden. Das geschah über das 1000-Dächerprogramm. Ich schreibe das nicht, weil ich zu der Zeit gegen die Photovoltaik war, sondern weil ich darin große Hoffnung hatte, aber ich weiß, ehemalige Kollegen aber auch die Wissenschaftler, haben sich zu der Zeit keinesfalls die Hoffnungen gemacht, die Messari-Becker hier als reale Möglichkeit darstellt, die es damals schon gegeben hätte. Die ernsthafte Frage steht nun im Raum, weshalb macht die Frau so etwas? Auch das werden wir noch versuchen zu klären.

Messari-Becker argumentiert nun weiter: Wissen sie, ich kann natürlich auch mit Strom heizen, aber ich kann nicht Gebäude, Industrie und Verkehr nur noch mit Strom versorgen. Wir haben Stand heute 250 Terrawattstunden Strom ungefähr, wir brauchen aber als Endenergiebedarf das zehnfache. Auch wenn wir durch Effizienztechnologien runterkommen werden, es wird nicht reichen. Diese Botschaft ist reine Demagogie und sie hat mit einer Wissenschaft rein gar nichts zu tun, denn tatsächlich werden wir unseren Strombedarf verdoppeln aber nicht verzehnfachen.

Die Sektorkopplung

So, kommen wir nun zu Messari-Beckers Fernwärmenetzen. Tatsächlich hat z.B. Dänemark als einer der ersten Vorreiter im Bereich Fernwärme schon sehr früh angefangen. Zitat: „1979 beschloss das Land das Wärmeversorgungsgesetz, wodurch die Wärmeplanung für alle Kommunen verpflichtend wurde. Mit dieser Initiative wurde Dänemark zum europäischen Vorreiter der Wärmewende.
Der dänische Ansatz zur Wärmeregulierung bietet eine klare Kompetenzaufteilung, bei der die kommunalen Entscheidungsträger*innen die volle Autorität über die Gestaltung lokaler Wärmesysteme haben“. Aber Dänemark hatte dafür entsprechende Gründe. Im Artikel zur Dänischen Wärmewende lesen wir: „Seit dem Zweiten Weltkrieg war das damalige „Ölland“ Dänemark stark von Erdölimporten für die Energieerzeugung abhängig. Der Wendepunkt kam im Jahr 1973 als die Ölkrise schwere Rezessionen in vielen Industrieländern durch die hohe Energiepreise auslöste und die dänische Wirtschaft davon hart betroffen wurde.
Dänemark plante ab sofort unabhängiger von Erdölimporten, die die wirtschaftliche Stabilität gefährdet hatten, zu werden“. Zitat Ende.

Dabei ist nun zu berücksichtigen, dass bei den Wärmenetzen die Versorgung durch eine Kraft-Wärme-Kopplung gewärleistet wird. Das Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung nutzt aber Abwärme von vorhandenen Kraftwerken. Hier die Beschreibung zur Kraft-Wärme-Kopplung von der Seite des Umwelt-Bundesamt.

Die Frage, weshalb betreibt diese Frau eine derart massive Desinformation, oder ist sie tatsächlich so wissenschaftsfern und unwissend, wird uns weiter erhalten bleiben. Mein Tip: Sie hat die Energiewende von Grund auf nicht verstanden und hat es nicht nötig bei zuständigen Wissenschaftlern nachzufragen.

Sonnige Grüße
Klaus Müller

Energiewende-Rocken


Nachtrag: Dieser Artikel ist sehr gut angekommen und hat natürlich lange nicht alle Aspekte aufzeigen können. Weil das Thema aber so brennt steht für mich die Überlegung im Raum genau zu dieser Sendung einen zweiten Artikel zu schreiben.
Drei Dinge will ich aber gleich nachreichen:

Zum einen gibt es sehr viele Reaktionen von Zuschauern die die angebliche Expertin Messari-Becker in den Himmel loben. Für sie hat diese Sendung keine Aufklärung geleistet oder eben die, dass sie sich in ihrer Ohnmacht bestätigt fühlten.

Leider ist in der Sendung nicht über Strompreise gesprochen worden und wie sie zustande kommen. Der tatsächliche Strompreis sollte während der Energiewende allerdings gewaltig sinken, weil z.B. die Erzeugung von Solarstrom massiv billig geworden ist. Damit fordert die EU seit 2018 das #EnergySharing. Der Tatsache, dass Menschen sich heute mit der Anschaffung einer eigenem Solaranlage Strompreise von ca. 8ct/kWh ermöglichen können und diesen Strom natürlich auch an Nachbarn weiter reichen werden, trägt dieses EnergySharing Rechnung. In Deutschland ist das aber bisher aber nicht aufgenommen worden. Auch davon hätte die Energie-Expertin berichten müssen.
https://energiewende-rocken.org/energy-sharing-ich-schenk-dir-was/

Bisher wurde der Untergang der Solar- und Windbranche in Sendungen nie thematisiert. Wenn dann hat es z.B. Robert Habeck sehr abgeschwächt am Rande erwähnt. Dass dieser Untergang organsiert betrieben wurde, hat Jürgen Trittin das erste Mal im Fernsehen ausgesprochen.


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5 Gedanken zu “Die falsche Expertin der Anne Will – Messari-Becker

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    Harald Thielen-Redlich

    Messari-Beckers Darstellung der autarken Wasserstoffheizung als Alternative zur Wärmepumpe ist ein Skandal.
    Keine Wärmequelle ist effizienter als die Wärmepumpe. Je mehr Wärme aus Wärmepumpen mit hoher Arbeitszahl stammt, desto besser. Wenn der Strom knapp wird, ist der Einsatz von Gaskraftwerken sinnvoll und wirtschaftlich. Das müssen Blockheizkraftwerke sein, die die Abwärme per Fernwärme in ein Wärmenetz einspeisen – das ansonsten mit großen Wärmepumpen bedient wird, und bald Saison-Speichergas (P2G-Methan, also ein E-Fuel, oder Wasserstoff) verheizen.
    Erst wenn die Arbeitszahl von Luftwärmepumpen sinkt (bei sehr tiefen Temperaturen), wird es in der Übergangszeit sinnvoll sein, einen Gasbrenner einzuschalten, das nennt man Hybridheizung.
    Jede neue reine Gasheizung, die also nicht als Ergänzung einer Wärmepumpe gedacht ist, erfordert beim Abschied von fossilem Gas reines E-Fuel – das ist Wahnsinn, denn im Vergleich zur Wärmepumpe braucht man 8mal soviel Strom zu dessen Produktion.

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    Rita Haupricht

    Sorry, Ihren Ausführungen kann ich nicht folgen und mich beeindruckt Ihr Artikel nicht.
    Wir haben mit dem russischen Gas schon einmal alles auf eine Karte gesetzt und nun soll in Windeseile die Habecksche Wärmepumpe durchgesetzt werden.