Last Updated 15. Oktober 2020
Haben wir es bei Energiewende nur mit dem Wechsel zweier unterschiedlicher Techniken zu tun? Hand aufs Herz – nur Neu gegen Alt?
Unser Blog steht im weitesten Sinne für Aufklärung in Sachen Klimaschutz und Energiewende. Aber auch das kann immer nur subjektiv sein, auch wenn man sich noch so sehr um Objektivität bemüht.
Der heutige Titel ist viel zu Kurz. Aber lange Überschriften sind fürs Internet nicht geeignet. Eigentlich könnte sie auch sie heißen. Hand aufs Herz – nur neu gegen alt oder dezentral gegen zentral – sind Erneuerbare nur eine technische Verheißung? Er könnte aber auch heißen: Was wenn Energiewende viel mehr ist, als das, was in der öffentlichen Debatte hinlänglich diskutiert wird?
Die Wahl der Energiequelle verändert alles
Man hört ständig in Rechten Foren, Windkraft-Gegener-Gruppen usw. wie sich darüber beklagt wird, dass die Energiewende “ohne physikalische Grundlagenkenntnisse” nicht funktionieren kann. Schwarzwald Gegenwind ist so eine Gruppe. Die behaupten doch allen Ernstes: “Eine ökologische Energieversorgung kann nur dann ökonomisch sinnvoll funktionieren, wenn sie auf physikalischen Grundsätzen beruht und nicht auf einer politisch verordneten Ideologie.”
Wie kommt man zu solchen wirklich absurden Behauptungen? Im letzten Artikel haben wir aufgeklärt, dass es sehr viele wissenschaftliche Studien gibt, die die Machbarkeit der Energiewende erklären. Es gibt aber keine, die das Gegenteil beweist. Diejenigen die es versucht haben, wie Prof. Hans-Werner Sinn, wurden widerlegt. Natürlich fußen alle Studien zur Energiewende auf physikalischen Kenntnissen. Es wäre geradezu dumm davon auszugehen, dass Physiker und Ingenieure gerade auf diesem Gebiet versagt hätten.
Das erste Mittel der Wahl für den Klimaschutz ist die Energiewende
Natürlich ist die Energiewende das Mittel der Wahl für den Klimaschutz in Deutschland. 80% aller CO2-Emissionen stammen aus der Verbrennung von fossilen Energieträgern. Obwohl die industrielle Landwirtschaft und Tierzucht einen entscheidenden Faktor spielt, haben sie beim CO2 nur einen geringeren Anteil.
Komischerweise erlebt man in vielen Diskussionen mit Klimaskeptikern, dass man nichts gegen Erneuerbare Energien hat. Vor allem, weil man den Vorteil der Dezentralität erkennt.
Die Energiewende ist aber mehr als der Wechsel von einer zu einer anderen, überholten Technik. Ihre mehrdimensionale Funktionalität ist weitgehend unbekannt. In vielen, auch öffentlichen Diskussionen geht es immer nur eindimensional lediglich um diesen Technikwechsel. Alt gegen Neu, sozusagen. Wesentliche Dinge werden ausgeblendet. Ja sollen sie vielleicht ausgeblendet werden? Obwohl gerades diese Diskussion nachgeholt werden sollte, werden stattdessen immer noch die alten Scheindebatten gefochten.
Immer noch wird bezweifelt, ob Erneuerbare überhaupt eine Versorgungssicherheit darstellen könnten.
Zweifel schüren – Fakepower
Das kann man immer wieder beobachten, wenn man öffentliche Diskussionen verfolgt, wo es um Energiewende geht. Beispielsweise hörte man in der Fragerunde zur Expertenkommission “Ausstieg aus der Kohleverstromung Mittwoch, 15. Mai 2019” im Bundestag (Video unten) , den Prof. Dr. Hans-Günter Appel (Stromverbraucherschutz NAEB). Die NAEB bezeichnet Solar- und Windenergie sowie Biogas auf seiner Facebookseite als Fakepower
Hans-Günter Appel äußert sich wie folgt auf die Frage: Trägt die erneuerbare, instabile Stromerzeugung zur Versorgungssicherheit und für die Bereitstellung von Regelleistung bei und hat die Versorgungssicherheit in Deutschland zu- oder abgenommen? Appe: “Ich muss das ganz klar verneinen, es gibt mit regenerativen Energien keine Versorgungssicherheit. [… weil] die Grundlast im Netz gewahrt bleiben muss […] Diese Grundlast wird … gewährleistet durch die großen Kraftwerke, die … mit den riesigen rotierenden Massen die Frequenz aufrechterhalten (damit sind die großen Generatoren in den Kraftwerken gemeint, die Netzschwankungen ausgleichen können). […] Durch die regenerative Energie, die stark schwankt müssen wir jetzt also noch viel mehr Regelleistung dazutun.
Der eigenen Definition folgend (Fakepower) war natürlich nichts anderes zu erwarten (ab Min. 13:24 im Video).
Die richtige Antwort
Patrick Graichen (Agora Energiewende) antwortet auf Appels Behauptungen (ab Min. 31:57): “Das Thema Versorgungssicherheit ist ja in den letzten Jahren rauf und runter diskutiert worden, auch in der Kommission. Was Herr Dr. Appel vorgestellt hat war der Stand des Wissens der 90er Jahre [hört hört, fast 30 Jahre veraltetes Wissen]. Wir sind jetzt aber weiter. […] Hier im Osten sieht man es ja gerade, das 50-Herz-Management-Netz mit über 50% Erneuerbare ohne Probleme. Der ehemalige CEO hat gesagt 80% Erneuerbare ist auch kein Problem [… man] kann natürlich auch rotierende Massen (nutzen) ohne dass dabei gleichzeitig Strom produziert wird. Das ist zum Beispiel beim Atomausstieg in Biblis geschehen. Da steht einfach noch die Turbine und erzeugt die notwendige Trägheit im System, ohne dass sie Atomstrom ins Netz einspeist. [… Es geht auch] das Ganze natürlich mit Leistungselektronik zu machen. Rotierende Massen ist 20. Jahrhundert. […] Was richtig ist, ist dass wir eine Antwort brauchen für die Zeit der Dunkelflaute.
Leider gibt es mit dem Video aus der Medieathek des Bundestages Kompatibilitätsprobleme. Sie können es sich aber auch über diesen Link ansehen.
Mehrdimensionale Funktionalität
Es gibt immer noch die Diskussion, ob eine Energiewende “dezentral” ist oder ob sie eine “Mischform” von beidem dargestellt. Das ist vom Wesen der Technik her falsch, und es sind physikalische Gründe, die das begründen. Erneuerbare sind technisch gesehen dezentral. Und genau das ist der Punkt, der uns zu zur oben angeführten mehrdimensionale Funktionalität hinführt.
Hermann Scheer wurde nicht müde zu betonen, dass die Energiewende nicht einfach nur der Wechsel von einer Technik hin zu einer anderen ist.
Wer das Energiesystems von heute, das zugeschnitten ist auf die herkömmlichen Energien, meint aufrechterhalten zu können, und nur die Energiequellen auswechseln zu können, der irrt. Das geht gar nicht. Es gibt kein energiequellenneutrales Bereitstellungssystem. Bei erneuerbaren Energien, haben wir andere Herkünfte, eine andere physikalische Eigenschaft, andere Strukturen der Energiebereitstellung und anderer Technologien der Energiebereitstellung.
Die Wahl der Energiequelle bestimmt alles
Ein Energiesystem muss aus physikalisch/technischen Gründen zugeschnitten sein auf die Energiequelle die man ausgewählt hat. Es ist alles andere als ein technik-, wirtschafts-, politik- oder kulturell, neutraler Vorgang. Es ist unmittelbar damit zusammenhängend: Die Wahl der Energiequelle bestimmt das Energiesystem und dann auch alles weitere. Wir haben praktisch nur eine Entscheidung, das ist die Entscheidung über die Energiequelle selber. Nach der Entscheidung, und so lange daran festgehalten wird, bestimmt indirekt, ob es uns bewusst ist oder nicht, die Energiequelle was zu geschehen hat und was wir tun müssen um diese Energiequelle verfügbar zu machen für den laufenden Energieverbrauch.
Aber damit ergeben sich auch entscheidende Faktoren über die Wertigkeit von Energie, die nun von monopolistische Strukturen zu demokratischen und sozialen Strukturen wechselt. Hermann Scheer weiter:
Die Oberbegriff ist für mich, solare Energien. Es sind die einzigen Energien die den Namen “sozial” verdienen. Alle anderen können es gar nicht sein. Die einzigen wenn man so will, linken Energiequellen. Das haben nur noch nicht alle Linken erkannt, noch längst nicht alle erkannt. Ich meine mit Linken nicht nur Mitglieder der Linkspartei, ich meine das im großen, im weltweiten Rahmen.
Hermann Scheer geht aber noch weiter, denn er wusste auch, unbegrenztes Wachstum auf einem endlichen Planeten, bei endlichen Energieressourcen kann nicht geben. Das leuchtet jedem ein. Aber es ist auch die Forderung, der wir uns angesichts des Klimawandels zu stellen haben. Immerhin hat uns dieses, anscheinend grenzenlose Wachstum, mit seinem Wachstumszwang, genau dort hingebracht, wo wir jetzt sind. Die unbegrenzte kapitalistische Wirtschaftsordnung hat Wachstum über alles gestellt und damit der Umwelt- und Klimaverschmutzung keine Grenzen gesetzt.
Greta Thunberg und die Fridays for Futurebewegung
Wenn Greta Thunberg und die Fridays for Futurebewegung sagen: “Wir brauchen eine völlig neue Denkweise. Das politische System, mit dem Sie arbeiten, stellt den Wettbewerb als oberstes Maß hin. Sie betrügen, wenn sie können, denn alles was zählt, ist Macht zu bekommen und zu gewinnen. DAS MUSS EIN ENDE HABEN. Wir müssen aufhören, miteinander zu konkurrieren. Wir müssen kooperieren und zusammenarbeiten und die Ressourcen des Planeten auf faire Weise teilen. … Wir müssen die Biosphäre, die Luft, die Ozeane, den Boden und die Wälder schützen.”, ist das viel mehr als eine symbolische Aufforderung.
Mit dem bisherigen System fahren wir diesen Planeten an die Wand. Die Alten werden wenig davon erleben, zumindest in Mitteleuropa. Die Jungen können es dann aber nicht mehr reparieren. Das ist der Ernst der Lage.
Prof. Dr. Maja Göpel spricht auch von
“einem Strukturwandel und der Modernisierung unserer Klimatechnologien, unserer Art wie wir Land bewirtschaften und unserer Art wie wir Mobilität gestalten und von einer gemeinsamen Idee des Wirtschaftens des 21. Jahrhunderts. Sie sagt, “Das Word-Economik-Forum schreitet ja inzwischen voran. Wenn die CEOs und Entscheider dieser Republik und der Welt inzwischen sagen, von den Top-Sechs globalen Risiken sind 5 ökologisch und das sechste sind die Massenvernichtungswaffen, dann ist sogar in diesen Reihen eine Einsicht zu erkennen und der Wunsch nach anderen Zielen und Rahmenbedingungen.
Sie sagt zusätzlich, dass “viele von den Wirtschaftswissenschaftlern sagen, dass sie nicht verstehen, warum Politik den Begriff “Wachstum” weiterhin unqualifiziert als ein Ziel propagiert. Wir müssen dem also wieder eine Definition geben, die eine Richtungsorientierung überhaupt mit sich bringt.”
Hier ein Auszug von der Bundespressekonferenz der Scientists4Ftuture (Wissenschaftler für Zukunft) vom 12. März 2019 mit der Wissenschaftlerin Maja Göpel.
Und genau das ist die angeführte mehrdimensionale Funktionalität, die sich in der Energiewende, aber auch in der Handlungsaufforderung zum Klimaschutz, befinden.
Uninteressant für Strom- und Energiekonzerne
Betrachtet man die Funktionen beim Umbau auf erneuerbare Techniken stellt man recht schnell folgendes fest. Für große Stromkonzerne sind Erneuerbare uninteressant. Sie bedrohen das alte Geschäftsmodell und lassen sich schlecht darin integrieren. Zu viel davon macht dem alten Geschäft mit alten Energien Konkurrenz.
Aber auf Dauer geschieht noch etwas anders. Bei einer disruptiven Entwicklung würden immer mehr private auf allen Ebenen ins Geschäft einsteigen. Und das Geschäft heiß in dem Fall für die Einsteiger, sich weitgehend autark zu machen. Damit brechen Scharen von Kunden weg. Die alten Energiekonzerne verlieren also immer. Ihr Tanker lässt sich so schnell nicht umsteuern und er würde beim Umsteuern in sich selbst zerbrechen. Bürger werden sich viel schneller, wenn man sie ließe und nicht mehr behinderte, die eigenen Solaranlagen aufs Dach pflanzen. Noch legt man ihnen Steine in den Weg. Wir sehen also hier, dass der Gedanke der Autarkie einer der wichtigsten ist, der die Dezentralität begleitet.
Tatsächlich kann sich ein eFh-Besitzer heute schon fast komplett autark machen. Selbst wenn er alle Versorgungsleitungen kappt würde es im Endeffekt billiger für ihn kommen, als sich weiterhin versorgen zu lassen. Was ist, wenn das für alle Bewohner von Häusern möglich wird (technisch ist es möglich, mit wenigen Ausnahmen)?
Aber was ist, wenn ein ganzes Land “seine Versorgungsleitungen” kappt? Die Antwort ist einfach. Dann nennt man es Energiewende und spart enorm beim Einkauf fossiler Rohstoffe. Also los machen wir die Energiewende in Deutschland.
Quelle zur Grafik “Geschäftsmodell Energiewende”
Also – Klimaschutz und Energiewende Rocken
Euer Klaus Müller