Last Updated 24. Juni 2020
Wer sich mit der EEG-Umlage beschäftigt kommt meist nicht weit mit seinen Überlegungen. Den meisten bleibt nichts anderes übrig, als das hinzunehmen, was in den Medien darüber bekannt ist. Die EEG-Umlage ist zur Förderung von Erneuerbaren Energien und sie ist ständig gestiegen. Und wenn sie steigt, sind die Erneuerbaren der Grund dafür. Das ist einfach zu verstehen und wird unwidersprochen hingenommen.
Was sollte man auch bei solchen Meldungen anders wie zum Beispiel hier bei der Tagesschau denken? Tatsächlich wurde immer nur der Anstieg berichtet, nicht aber, dass die Erneuerbaren mit diesem Anstieg zumindest seit 2010 recht wenig zu tun haben.
Und in allen Medien wurde das so dargestellt, der Zubau der Erneuerbaren Energien lässt die Strompreise ansteigen. Und so einfach das aussieht und so oft diese Botschaft gesendet, verkündet oder missbraucht wurde, SIE IST FALSCH. Die Zusammenhänge sind andere. Den Anstieg der EEG-Umlage kann man sich auch als Kurve vorstellen. Zum Beispiel so wie sie in den nächsten beiden Grafiken als rote Linie darstellt. Bis zum Jahr 2010 stiegen die Auszahlungen an die die Anlagenbetreiber, (hier als grüne Balken dargestellt), genau in der gleichen Weise wie die Umlage. Nur ab 2010 stieg die EEG-Umlage eben viel steiler.
Und das beschreibt, dass an der Berichterstattung etwas nicht stimmt. Wenn sich Medien genau daran orientiert hätten, dann wäre möglicherweise einiges ganz anders gelaufen, denn das was hier lief nennt sich „Das EEG-Paradoxon“ (#eegParadoxon). Und es ist tatsächlich sehr wichtig zu betrachten was die Ursachen dafür sind.
Ich habe bereits 2016 begonnen Artikel zu dem Thema zu schreiben und Anstoß war ein Bericht den ich von Tina Ternus hatte, die sich diesem Thema sehr ausgiebig gewidmet hat. Aber ich muss zugeben, das alles war sehr schwierig zu verstehen, denn es hatte etwas mit dem Geschehen an der Strombörse zu tun. Und die Strombörse war sehr vielen nicht bekannt und man fand zu der Zeit auch kaum Artikel darüber.
Tina Ternus kommt aus der Photovoltaikbranche und hatte sich wie viele darüber gewundert, weshalb sich diese Entwicklung ergeben hatte. Nachdem sie verstanden hatte, was dort „gespielt“ wurde war ihr klar, dass dies keine natürliche Entwicklung war, sondern dass dahinter eine organisierte Kampagne steckte.
Sehr kurz könnte man das eegParadoxon heute so beschreiben: Es ist die bisher größte konzertierte Desinformationskampagne gegen die Energiewende, die mit einer fadenscheinigen Begründung, “die Erneuerbaren hätten die Strompreise in die Höhe getrieben”, ein ganzes Land täuschte. Das es sich aber um eine falsche Vermarktungsstrategie für Erneuerbaren Strom handelte, haben die Medien nie aufgedeckt. Das wäre alles nicht so schlimm gewesen wenn da nicht in der Folge 100.000 Arbeitsplätze in der Solarbranche vernichtet worden wären, die die Regierung bereitwillig opferte und das auch mit fadenscheinigen Begründungen. Unglücklicherweise haben die Medien das alles immer noch nicht im Zusammenhang berichtet, bis auf die Satiresendung “Die Anstalt” vom ZDF, der wir sehr zu Dank verpflichtet sind.
Das eegParadoxon führte gleich zu mehreren paradoxen Situationen und Vorgängen.
- Immer, wenn viel Solar oder Windstrom geliefert wurde sanken die Börsenstrompreise. Die erneuerbaren Energien sollten aber an der Strombörse regulär wie alle anderen auch Geld erwirtschaften, was dazu führte, dass die dann niedrigen Strompreise zu einem Minderertrag führten.
- Das führte regelmäßig zu Mindereinnahmen im EEG Konto. Die Folge davon war, dass diese Mindereinnahmen durch eine ständig steigende EEG-Umlage ausgeglichen werden mussten.
- Durch die niedrigen Strompreise an der Börse wurden Gaskraftwerke unrentabel, die sich besonders gut im Betrieb mit erneuerbaren Energien eigneten. Sie wurden weniger genutzt und im Bau befindliche Gaskraftwerke wurden nicht fertiggestellt.
- Nun mussten Kohle- und Atomkraftwerke, die sich im Betrieb zusammen mit erneuerbaren Energien weniger eigneten, die Stelle von Gaskraftwerken einnehmen. Weil diese Kraftwerke nicht auf null heruntergeregelt werden können, wenn man es braucht und auch nicht aus dem Stand sofort benötigte Energie liefern können, erzeugten Kohle- und Atomkraftwerke einen ständigen Stromüberschuss. Damit begann die Ära des Stromexportüberschusses, die von 2010 bis 2019 anhielt.
- Die Stromexportüberschüsse wurden immer massiver und zum Ende hatte man nur wenige Stunden im Jahr wo kein Überschuss entstand. Die vorhandenen Gaskraftwerke hätten das verhindern können.
- Die geringen Börsenstrompreise wurden nicht an die Verbraucher weitergegeben (was aber nur ein Nebenschauplatz ist).
- Der größte Anteil am Anstieg der EEG-Umlage wurde aber durch die Fehl- oder Mindereinnahmen im EEG Konto, das über die Umlage ausgeglichen werden musste, verursacht.
- Damit stiegen die Strompreise für den Verbraucher und alle hatten den Eindruck, das hätte etwas mit den Auszahlungen an die Anlagenbetreiber der Erneuerbaren Energien zu tun. Diese waren nachweislich aber viel niedriger. Dieser Eindruck wurde aber von allen Medien genau so weiter vermittelt. Niemand hatte es nötig hier für eine entsprechende Aufklärung zu sorgen. Und damit begannen nun mehrere Kampagne gegen „viel zu hohe Subventionen für Erneuerbare Energien„, zustande, die von Lobbygruppen forciert wurden. Sie kamen vollkommen glaubhaft rüber, aber diesen Kampagnen fehlte jede Substanz. Sie spielten mit eine Lüge, weil die Erneuerbaren sogar immer billiger wurden.
- Und damit begann dann über die sehr fadenscheinige Begründung, einer notwendig werdenden Strompreisbremse, (Peter Altmaier), die Solarpleitewelle durch willkürliche unvorangekündigten Kürzungen der PV-Vergütung. Damit war das der Anfang der Vernichtung von 100.000 Solararbeitsplätzen, zu der man, in der Nachschau man feststellen muss, dass auch hier die Medien geschlafen haben und weniger berichteten, als über die in dieser Zeit auch ablaufende Schleckerpleite.
Der volkswirtschaftliche Schaden und die Auswirkungen, die sich daraus ergeben, weil damit bewusst gegen die Energiewende gearbeitet wurde um wenige Konzerne zu schützen, die eben jene Kampagne eingefädelt hatten, und man damit auch gleichzeitig gegen den notwendigen Klimaschutz gearbeitet hatte, kann nicht ermessen werden. Klar ist, hier haben viele Leute geschwiegen, die davon wussten und das ganze hätten thematisieren und ändern müssen. Man hat das ganze so undurchsichtig gestaltet, fast wie ein Zaubertrick, dass es jederzeit dazu benutzt werden konnte und wurde, die Erneuerbaren Energien, die immer billiger wurden, zu diskreditieren. Weshalb Medien in den 10 Jahren nicht berichteten, wird noch zu klären sein. Vor allem aber jetzt muss um so mehr nachgefragt werden, weil auch nach der Aufklärung durch die Sendung „die Anstalt“ immer noch nichts weiter berichtet wird. Schauen Journalisten diese Sendung nicht?
Es gab übrigens jemanden dem die Sache schon sehr früh aufgefallen war, einen Journalisten, dem man auf jeden Fall sehr großen Sachverstand nachsagen kann, denn er kam aus der Energiewirtschaft und machte dort jahrelang Öffentlichkeitsarbeit, Udo Leuschner. Und er hatte sehr viel Arbeit in seine Recherche investiert und alles auf seiner Internetseite veröffentlicht. Und Leuschner ist völlig unverdächtig links/grün-versifte Positionen zu vertreten – er ist konservativ.
Udo Leuschner ist ein deutscher Journalist und Schriftsteller. In Wikipedia lesen wir: „Nach einem 1963 begonnenen Volontariat beim Westdeutschen Tageblatt in Dortmund wurde er dort Redakteur für Politik. 1965 wechselte er in die Politik-Redaktion der Tageszeitung Spandauer Volksblatt in Westberlin, die sich als linksliberale Alternative zur Springer-Presse zu profilieren versuchte. Nach dem Scheitern dieses publizistischen Experiments wechselte Leuschner ins lokale Ressort: Ab 1967 als Lokalredakteur bei der Westberliner Boulevardzeitung Der Abend und ab 1968 als Lokalredakteur beim Mannheimer Morgen. Beim Mannheimer Morgen wurde er 1972 wegen seines privaten Engagements als Vorsitzender des Republikanischen Clubs Mannheim-Ludwigshafen und Pressesprecher der Jungdemokraten entlassen. Er wurde daraufhin Redakteur der Nachrichtenagentur PPA in Mannheim, zuletzt als Büroleiter mit Zuständigkeit für die Bundesländer Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland (1973–1990). Es folgte eine weitere Tätigkeit als Redakteur und PR-Referent im Bereich Öffentlichkeitsarbeit für die Elektrizitätswirtschaft (zunächst bis Ende 2000 in der Informationszentrale der Elektrizitätswirtschaft und nach deren Auflösung bis Ende 2005 für den Verband der Elektrizitätswirtschaft).
Leuschner betreibt seit Oktober 2000 die Website Energie-Chronik mit einer monatlichen Übersicht der wichtigsten Ereignisse in Energiewirtschaft und -politik ab 1991. Dieses Informationsangebot ging aus einer brancheninternen Publikation der deutschen Stromwirtschaft hervor und wird seit 2008 durch die Rubrik „Hintergrund“ ergänzt.“
Udo Leuschner ist also keineswegs jemand den man als linksgrün versifften Spinner oder euphorischen Energiewendeanhänger beschreiben könnte. Er steht der FDP nahe und er kommt sogar von der Seite der Elektrizitätswirtschaft und ist ein sehr genauer Chronist der Stromwirtschaft. Und umso mehr freue ich mich berichten zu können, dass dieser Udo Leuschner mein Spezialthema, das eegParadoxon., schon so früh behandelt hat und keine Facette auslässt und die völlige Fehlkonstruktion des Wälzungsmechanismus stark kritisiert. Leuschner schrieb in 2012 auf seinem Blog udo-leuschner.de:
Trotz der zunehmenden Anzahl „privilegierter Letztverbraucher“ entwickelte sich die EEG-Abrechnung bis 2009 – als sie zum letzten Mal nach der alten Methode erfolgte – einigermaßen proportional zu Strommengen und Vergütungen. Sie stieg sogar deutlich weniger als die Vergütungen. Die Grafik läßt nebenbei erkennen, daß seit 2008 die Vergütungen schneller zunehmen als die Einspeisungen. Dies dürfte hauptsächlich auf den starken Zubau an Solaranlagen zurückzuführen sein, deren Einspeisung im Vergleich zur Höhe der Förderung gering ist. Der schlagartige Anstieg der EEG-Umlage ab 2010 läßt sich damit aber nicht erklären. Er fällt sicher nicht zufällig mit der Anwendung der neuen Ausgleichsregelung zusammen…
Für viele ist der obigen Absatz sicherlich etwas unverständlich. Und das was Medien bisher immer und fast ausschließlich als einzige Erklärung zur steigenden EEG-Umlage, und damit zu steigenden Strompreisen lieferten, war die Geschichte, dass es viele Unternehmen gibt die die Umlage nicht oder nicht ganz zahlen müssen. Und damit ist die die „zunehmenden Anzahl „privilegierter Letztverbraucher“ gemeint. Es ist aber nicht mal die Hälfte der Story, die es aufzudecken gilt. Dieser komplizierte Sprachgebrauch bringt uns und Journalisten in eine Verlegenheit. Letztverbraucher, was könnte das denn heißen. Letztverbraucher sind wir alle, umgangssprachlich würde man das auch Endverbraucher nennen. Aber es sind eben auch kleine und große Betriebe Letztverbraucher. Und genau bei den großen Betrieben mit hohem Stromverbrauch gab es diese immensen Strompreisgeschenke. Aber das ist wie gesagt noch lang nicht alles, es ist im Höchstfall der Beginn einer komplizierten Sache die wir inzwischen eegParadoxon nennen.
Hier eine Übersicht aus seiner Chronik von 2012:
- Solarstrom-Vergütungen müssen als Sündenbock herhalten, sind aber nicht der Hauptgrund
- Immer mehr „privilegierte Letztverbraucher“ wurden von der EEG-Umlage weitgehend befreit
- Neuer „Ausgleichsmechanismus“ beseitigte die Absatzgarantie für EEG-Strom
- Stromwirtschaft wollte ihren Verwaltungsaufwand verringern und sich neue Geschäftsbereiche erschließen
- „Marktgerechte“ Umgestaltung des EEG privatisiert Profite und sozialisiert Verluste
- Juristisch fragwürdig: Gesetzesänderung erfolgte per Verordnungsermächtigung
- Alle Parteien sahen nur Vorteile oder übten nur unwesentliche Kritik
- Beim Probelauf an der Börse mußten die Netzbetreiber den Strom verschenken und noch Millionen hinterherwerfen
- EEG-Strom senkt die Börsenpreise – aber nur zum Nachteil des Verbrauchers
- Staatsrechtler hält das EEG in seiner neuen Form für verfassungswidrig
- Schon das Stromeinspeisungsgesetz wurde verdächtigt, ein neuer „Kohlepfennig“ zu sein
- Wälzungsmechanismus sollte Analogie zum „Kohlepfennig“ vermeiden helfen
- Vier Textilunternehmen wollen notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht klagen
- Das EEG wurde inzwischen so malträtiert, daß ihm ein gnädiger Tod fast zu wünschen wäre
Vielen Dank an Tina Ternus für diesen wertvollen Hinweis auf die Arbeit von Udo Leuschner.
Jürgen Voskuhl hat zur EEG-Umlage und zum Paradoxon übrigens eine aktuelle Grafik angefertigt. Auch dafür vielen Dank.
Sonnige Grüße
Klaus Müller
Hier übrigens einige Reaktionen auf diesen Artikel, die ich in einem neuen Beitrag einmal eingegangen bin. Es gab tatsächlich sehr viele Reaktionen und dieser Beitrag wurde bisher, Stand 24.6.2020, 699 mal angeklickt bzw. gelesen.
Ich antworte auf Fragen und Kommentare zum Artikel #eegParadoxon
Weitere Links zu eegParadoxon:
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In aller Freundschaft, liebe Tagesschau…
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Energiewende – zentral vs. dezentral
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die-eeg-trickserei
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Die Sendung, das EEG-Paradoxon in der Anstalt am 1.10.2019
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Zauberhaft wie man es so aussehen ließ, dass Erneuerbare Energien den Strompreis sündhaft steigen ließen, obwohl sie diese Kosten aber gar nicht verursachten. Ein abgekartetes Spiel, ach was…. Und weshalb berichteten die Medien nicht? #eegParadoxon https://kurzelinks.de/dlso
Danke fuer die umfassende darstellung. Georg Stumpf