Lebensfreude statt planetarer Notfall?

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Last Updated 23. November 2021

Gastbeitrag Jürgen Eiselt

Der Planetare Notfall

Über den planetaren Notfall berichten die Medien leider nicht im erforderlichen Umfang. Das ist sicher einer der Gründe, warum Entscheider in Politik und Wirtschaft immer noch nicht die dramatische Lage verstanden haben.

Eine unbeliebte Wahrheit

Bis 2030 muss die Förderung und Verbrennung von fossilen Brennstoffen beendet sein. Diese eindeutige und glasklare Leitplanke zieht die Wissenschaft: https://de.scientists4future.org/ueber-uns/stellungnahme/fakten/ .

Wir sollten daher nicht riskieren, dass nach Ablauf der nächsten Dekade das ökologische Gleichgewicht durch instabile Wetterextreme kippt. Hunger und Durst sind bei einem Zusammenbruch vom ökologischem Gleichgewicht dann die Regel. Ärzte warnen besonders vor menschlicher Überhitzung. Denn in jedem menschlichen Körper gerinnt ab 42 Grad das menschliche Bluteiweiß, wie bei einem Spiegelei.

Auch das Bundesverfassungsgericht urteilte in einem als historisch zu bezeichnenden Urteil, dass die Verfassung nachfolgenden Generationen ein Recht auf lebensfähige Umweltbedingungen vorgibt. Dafür sind Bundestag und Bundesregierung in der Pflicht, jetzt die gesetzlichen Pfeiler zu errichten. Machtpolitische und wirtschaftliche Motive müssen zurückstehen. Die Wirtschaft ist aufgefordert, die große Chance auf ein qualifiziertes Wachstum zu nutzen. Wir können die Klimakrise genauso wie Corona besiegen. Das bedeutet mehr Lebensfreude, die Konjunktur zu beleben und die soziale Schieflage zu beenden.

Politisches Neuland

Zwar veränderte die alte Bundesregierung die Ziele in den entsprechenden Gesetzen, aber ohne Maßnahmen ist und bleibt die Gesetzgebung verfassungswidrig. Die neue Bundesregierung steht und fällt mit der Bewältigung der Menschheitsaufgabe Klimarettung. Machtinteressen und Denkweisen aus den 1980er Jahren führen in die falsche Richtung. Ein Totalcrash ist nicht zukunftsfähig.

Auch von der EU kommen in diesem Zusammenhang nur enttäuschende Floskeln. Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission sagte „Wir können und müssen es schaffen, dass Europa bis 2050 der erste klima­neutrale Kontinent wird.“ https://www.klimaneutralitaet.de . Greta Thunberg bezeichnet solche Aussagen irgendwie nachvollziehbar als „BlaBlaBla“.

Realitätsverlust oder weiterhin „Es wird schon gutgehen“?

Es ist unverständlich, dass in fast jeder Talkshow, in den deutschen Klimaschutzgesetzen, den Medien oder der Wirtschaft „Klimaneutralität“ erst weit nach 2030 hinaus propagiert wird oder Irrwege wie Atomkraft intensiv gepflegt werden. Bei der COP 26 in Glasgow sind sogar unglaubliche Jahreszahlen bis 2070 für das Ende der fossilen Verbrennung genannt worden.

Genauso sind das Sondierungspapier der Bundestagswahlsieger und die spärlichen Informationen aus den Koalitionsverhandlungen zu deuten.

Klimakrise verstehen

Es verhärtet sich zunehmend der Verdacht, dass „Spitzenpolitiker“ immer noch nicht die dramatische Lage wahrhaben wollen. In Bezug auf „Verstehen“ erwecken Lindner und Scholz ebenso wie Ursula von der Leyen einen falschen Eindruck. Verbal und auf den Wahlplakaten sind alle die eifrigsten Klimaschützer. Doch Fridays For Future besteht auf Handeln und bemängelt die Ignoranz der Bedürfnisse einer ganzen Generation.

Noch einmal lindern wie 2017 geht genauso wenig wie Jamaika 2021 oder gar noch eine Nachfolge-GroKo. Der Hilferuf der Grünen an Klima- und Umweltschutz-NGOs zeigt deutlich, dass FDP und SPD nicht regierungsfähig sind, wenn die völkerrechtlich verbindlichen Klimaschutzabkommen nicht im Sinne des Klimaschutzes und Bundesverfassungsgerichts umgesetzt werden. Stattdessen spielen Lindner und Scholz mit dem Erderwärmungsfeuer.

Auch wenn es eventuell Neuwahlen bedeutet: ein Koalitionsvertrag ohne ausdrückliche Einhaltung der Pariser Klimaschutzziele wird die Basis von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN niemals zustimmen.

Sprachliche Manipulation

Immer wieder wird von „Klimaneutralität“ gesprochen, obwohl die Wissenschaft diesen Begriff, als kontraproduktiv bezeichnet, und rät ihn nicht mehr zu verwenden.

Die bundeseigene Energie-Agentur DENA veröffentlichte eine Studie, wie Deutschland bis 2050 „klimaneutral“ wird. Pech nur, dass herausgekommen ist, dass diese Studie überwiegend von Unternehmen finanziert wurde, unter anderem durch Gas- und Ölfirmen. https://taz.de/Kritik-an-Klimastudie/!5757341/

Auch andere bundeseigene Unternehmen verwenden den Begriff aus Marketinggründen und zur Imagepflege.

So wirbt die Bundesbahn an den Zügen mit dem Slogan „100 % Ökostrom im Fernverkehr“, obwohl jede Lokomotive, die an einem Kohlekraftwerk vorbeifährt, aus physikalischen Gründen genau diesen Kohlestrom nutzt.

Der Begriff impliziert, dass alles planmäßig verläuft und die Hausaufgaben erledigt sind. Dies wirkt verheerend auf den Ausbau erneuerbarer Energieanlagen, da sich viele dann in gefährlicher Sicherheit wiegen.

Jan Peter Hinrichs vom Bundesverband energieeffiziente Gebäudehülle spricht im Artikel der Frankfurter Rundschau vom 06.11.2021 „Vergessen wir unsere Häuser nicht“ davon, bis 2030 den Gasbedarf um 40 Prozent zu reduzieren. Doch dies ist völlig unzureichend.

Bis 2030 muss jede fossile Gasförderung zu 100 % abgestellt sein. Das bedeutet: kein Gasimport aus den Förderländern Russland / USA und kein Ausweichen auf Importe. JEDE fossile betriebene Heizung muss bis 2030 auf Erneuerbar umgestellt sein.

VW will die Produktion von Verbrennermotoren erst 2033 einstellen. Das wird wohl das wirtschaftliche Ende von VW bedeuten. Weder Umsatz, Nachfrage noch Produktionskosten rechnen sich betriebswirtschaftlich schon lange vor 2033 überhaupt nicht mehr. In der Wirtschaftswissenschaft wird dies als Disruption bezeichnet.

Das ist genauso, als wenn das bisher beste Rennpferd im Stall krank und viel zu alt für ein Rennen geworden ist und dann auch noch verkehrt rum in die Startbox geführt wird.

Alle Energielieferverträge für Strom, Wärme und Mobilität müssen auf Klimaverträglichkeit überprüft und, wenn notwendig, auch gekündigt werden.

Medienversagen

Besonders „Die Welt“ und das ZDF fallen mit fehlendem Wissen und fachlich unausgewogener Berichterstattung, katastrophalen Talk-Shows und Kommentare auf. Der ZDF-Umweltresortleiter Volker Angres sagte ernsthaft in der Heute-Sendung vom 9. August 2021, dass Kohlekraftwerke dem Klimaschutz dienen. Die eingegangenen Proteste beantwortete die ZDF-Sendeleitung mit der Erklärung, dass Herr Angres doch recht hat. Weitere unfassbare journalistische Fehlgriffe wie beim Sommerinterview mit Robert Habeck oder des Talkshowclowns Lanz muss sich die Anstaltsleitung ankreiden lassen.

Die Verantwortlichen hierfür müssen umgehend in den unverdienten Ruhestand abgeschoben werden. Da können sie wenigstens keinen weiteren Schaden mehr anrichten. Das Gleiche gilt für „Spitzenpolitiker“, die durch fehlendes Klimaschutzwissen oder eventuell noch durch finanzielle Vorteile den Start der Herkulesaufgabe „Menschheit retten“ hinauszögern.

Fangen wir damit an, das Verharmlosen, Verschweigen oder Verbreiten von Fake-News zu beenden. Denn dieses Spiel mit dem Feuer der Erderhitzung ist brandgefährlich.

Noch gibt es Hoffnung. Deshalb gibt es keinen besseren Zeitpunkt als jetzt, um die neue gesellschaftliche und wirtschaftliche Transformation umzusetzen.

Technik und Fläche für erneuerbare Energien sind vorhanden und Unternehmen mit bereits entwickeltem Klimaschutz-Know-How warten wie Rennpferde kurz vor dem Öffnen der Startboxen mit scharrenden Hufen auf die Startglocke.

Freuen wir uns darauf, noch rechtzeitig die Notbremse zu ziehen und dass das Rennen nicht verloren geht.


Jürgen Eiselt ist Mitglied der ee-community

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