Energiewende – Wissensnotstand – Wie viele Windräder braucht das Land? 1

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Last Updated 19. März 2024

Veröffentlicht: 12.6.2023

Wenn nicht mal Kanzler Scholz weiß wie viele Windkraftanlagen wir in Deutschland brauchen, dann herrscht bei ihm ein gewisser Wissensnotstand. Und keine Angst, tatsächlich brauchen wir nicht so sehr viele zusätzliche Windräder. Möglicherweise reichen auch ein paar weniger für die Energiewende.

Energiewende – Wissensnotstand – Wie viele Windräder braucht das Land?

Wir schreiben das Jahr 2023. Klimaschutz ist das wichtigste Problem, das dringend angegangen werden muss. Aber wir haben die Ampelregierung, in der inzwischen einige Mitglieder der FDP sogar den anthropogenen Klimawandel wieder anzweifeln. Ok, damit diskreditiert sich die FDP von selbst. Dass wir in CDU/CSU ähnliche Kandidaten haben, ist kein Geheimnis, dass aber der Journalismus das nicht ausreichend zum Thema macht, nervt sehr. Aber das ist nicht mein heutiger Aufreger.

Es geht um eine sehr einfache Wissensfrage zur Energiewende: Wie viele Windräder brauchen wir in Deutschland, um zu 100% erneuerbarer Energieversorgung in allen Sektoren, also Strom, Wärme, Mobilität und Industrie zu kommen? Bevor ich das beantworte, schildere ich eine typische Situation, wie wir sie im Fernsehen immer wieder erleben. In der Sendung RTL-direkt vom 6.6.2023 stand unser Kanzler Olaf Scholz im Mittelpunkt und stellte sich den Fragen, die von der Bevölkerung an ihn herangetragen wurden. Wie wir alle wissen, laufen im Moment auch schlimme Hetzkampagnen gegen die Regierung und vor allem die Grünen. Da ist von Ökofaschismus und links/grüner Ideologie oder vom grünen Heizhammer die Rede.

Und die Lage wird durch BILD und WELT nicht besser. Die Bevölkerung wird verunsichert und es läuft alles darauf hinaus, dass diese Regierung vorzeitig aufgeben soll. Das sind erschwerte Bedingungen, aber in der Begründung heißt es immer wieder, die Energiewende macht die Energiepreise teuer und die Energiewende würde doch sowieso nicht funktionieren. Man würde sich darüber wundern, weshalb die Grünen dann mit dem Kopf durch die Wand wollen. Dass solchen Behauptungen jede wissenschaftliche Erkenntnis fehlt, sagt WELT und BILD allerdings nicht.

Also, wie viele Windräder braucht das Land denn nun wirklich?

Wenn an Bundeskanzler Olaf Scholz, der wichtigste Gast in der Sendung, die Frage selbst aufwirft und selbst nicht beantworten kann, ist das alleine schon ein starkes Stück. Wenn dann aber niemand anders eine Antwort hat, die Moderatorin nicht und keiner der weiteren Gäste, dann schlägt es für mich dreizehn. Dann landen wir bei Scheindebatten, bei Ablenkungsmanövern, bei der Unwissenheit und der Dummheit. Und genau dieses Spektakel können wir in jeder beliebigen Talkshow erleben, egal ob es öffentlich/rechtliche oder private Sender sind. Diese Sendung zeigt, diesen Wissensnotstand gibt es anscheinend in ganz Deutschland. Hier das Beispiel mit RTL-direkt vom 6.6.2023. Die Sendung ist eine Art Bürgerdialog und es kamen viele Themen zum Gespräch.

Die Moderatorin, Pinar Atalay, die man auch aus den Öffentlich/Rechtlichen Sendern kennt, hatte vier weitere Gäste eingeladen, die stellvertretend für die Bürger Fragen stellen konnten.

  • Christoph Golly, 48, Familienvater und Zerspanungsmechaniker
  • Regine Springorum, 81, ehemalige Lehrerin und inzwischen bei der „Letzten Generation“ engagiert
  • Chris Rücker, 59, Schmelzer in Eisenhüttenstadt
  • Nicole Rathgeber, 39, Landrätin des Werra-Meißner-Kreises

Pinar Atalay leitete die Sendung mit folgendem Satz ein: „Wie soll das alles bloß weitergehen? Viele Menschen sind verunsichert durch die vielen Krisen – Inflation, Krieg, Klimaschutz, Heizung…“. Und damit sind die Themen bereits umrissen.

Ich will hier nur auf den Komplex Klimaschutz eingehen und in dem Zusammenhang auf die Äußerungen des Kanzlers zur „Letzten Generation“. Hier sagt Scholz, nachdem Frau Springorum hinlänglich darauf eingegangen war, dass die „Letzte Generation“ den mangelnden Klimaschutz beklagte und für ihre gesetzwidrige Aktionen sogar einstünden und sogar Gefängnisstrafen hinnehmen, wortwörtlich:

„Ich finde, die Gerichte … haben das richtig gemacht (er meint die Haftstrafen gegen die Letzte Generation), und finde auch, dass die Bürgerinnen und Bürger recht haben sich darüber zu beschweren, dass das überall stattfindet und jetzt tage- und wochenlang der Verkehr beeinträchtigt wird, aber am meisten spricht für die Richtigkeit meines Arguments … , dass wir jetzt schon die ganze Zeit über diese Aktionen reden, aber nicht über das was zu tun ist und das ist mein Vorwurf an die Aktivisten. Statt, dass wir uns über die Frage, wie viele Windkraftanlagen brauchen wir in Deutschland und wie produzieren wir Strom aus erneuerbaren Quellen unterhalten, (oder) wie kriegen wir das hin, dass Chemie anders produziert wird und wie kriegen wir das hin, dass Deutschland 2045 klimaneutral wird, (reden wir) über solche Aktionen“. So unser Bundeskanzler wörtlich.

Sicherlich, es tobt im Moment die Debatte über das Gebäude-Energie-Gesetz, GEG und die Wärmepumpe. (Nachtrag, zumindest hat man sich gestern, am 13. Juni in der Ampel geeinigt, der Gesetzesentwurf kommt noch vor der Sommerpause in den Bundestag).

Wenn aber in der Debatte zur Energiewende so essenzielle Grundlagen fehlen, ob die Energiewende überhaupt funktionieren kann, dann können wir nicht vorankommen. Mit einer überzeugenden Antwort aus der Politik, die selbstverständlich heißen muss, ja, das geht, wären wir viel weiter und könnten endlich die Debatte führen, was denn der Ausbau der Energieerzeugungsanlagen, Wind und Solar, eigentlich kostet. Und da heißt die wissenschaftliche Antwort seit Jahren, das Ganze wird wesentlich billiger als das, was wir jetzt haben. Die Öffentlichkeit ist darüber aber nicht informiert, die Politik ist es nicht und der Journalismus schon gar nicht.  Stattdessen haben wir eine sehr vergiftete Diskussion, mit Halbwahrheiten und sogar Lügen.

Hier die Antwort zur Anzahl der Windräder.

Einige Berechnungen gehen davon aus, dass wir noch 5.000 bis 10.000 Windräder dazu bauen müssen. Die Energy Watch Group geht jedoch in einer Studie von sehr viel weniger aus.

Wir brauchen rechnerisch 6.000 Windräder weniger als wir jetzt im Bestand haben. Tja, und wie wohltuend wäre es gewesen, wenn Scholz diese Frage selbst beantworten hätte können: Leider war auch Frau Springorum, die die „Letzte Generation“ vertritt, nicht in der Lage diese Frage gleich zu beantworten.

Die Antwort ist einfach und verblüffend…

Rechnerisch brauchen wir nicht mehr Windräder, wir brauchen weniger. In der Politik wissen es sehr wenige Menschen und diejenigen, die es wissen sind in der absoluten Minderheit und kommen nicht zu Wort. Um Deutschland zu 100% mit Erneuerbaren Energien zu versorgen in allen Sektoren, also Industrie, Wärme, Mobilität und Strom, brauchen wir tatsächlich 6.000 Windräder weniger als die Anzahl, die wir jetzt haben.

Enttäuschenderweise zeigt das, wie wenig die Öffentlichkeit informiert ist, denn immer noch wird in den Medien der Zweifel daran erhoben, dass allein schon die Fläche für Windenergie in Deutschland nicht ausreichen würde. Für die betreffende Anzahl an Windrädern, die wir angeblich bräuchten, hätten wir kein Platz und die Anzahl benennt man aber nicht. Das Ganze hat übrigens System, denn Windkraftgegnergruppen haben dazu ständig Spekulationen angestellt und sich auf völlig überzogene Darstellungen berufen.

Auch Ulrike Herrmann, die TAZ-Redakteurin, behauptet das inzwischen nach der Veröffentlichung ihres Buches, “Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind – und wie wir in Zukunft leben werden”. Die Leute, die sowas behaupten, kommen vom Schlag Hans-Werner Sinn oder dem ehemaligen RWE-Manager und Klimaleugner, Fritz Vahrenholt. Hier der Link zu einem Artikel aus der TAZ mit dem Titel: Der Klima-Sarrazin, RWE-Manager verharmlost den Klimawandel. Nicht CO2 ist schuld am Klimawandel, sondern die Sonne: Fritz Vahrenholt, SPD-Mitglied und RWE-Manager, verbreitet in seinem Buch „Die kalte Sonne“ provokante Thesen.

Was Scholz und die Politik wissen sollte…

Wie kommt es zu dieser verblüffenden Antwort, weniger statt mehr Windräder? Hans-Josef Fell hat bereits am 11.2.2022 eine Kurzanalyse vorgelegt, die die Energy Watch Group überschlägig berechnet hat. Zitat aus seiner Mitteilung:

Das Ergebnis: Die Annahme, dass 2030 in Deutschland mehr Windräder stehen als zum heutigen Zeitpunkt, ist nicht korrekt. Im Gegenteil – die Anzahl der Windkraftanlagen könnte sogar von derzeit rund 30.000 auf ca. 24.000 Anlagen sinken.

Aus dem von der Energy Watch Group bereits im letzten Jahr vorgestelltem Deutschland-Szenario ergibt sich eine zu installierende Windkraftleistung von etwa 110 GW bis 2030 zur Erzeugung von 300 TWh Strom. In der Studie bisher nicht berücksichtigt wurde insbesondere das Potential von Biokraftstoffen für den Verkehrssektor sowie von oberflächennaher Erdwärme. Diese Energiequellen könnten bis 2030 jedoch absehbar eine Einsparung von (…) 100 TWh Strom aus Wind und Photovoltaik ermöglichen, sodass der tatsächliche Windstrombedarf im Jahr 2030 gegenüber dem Deutschland-Szenario auf etwa 250 TWh sinkt.

Erforderlich sind hierfür Anlagen mit einer Kapazität von rund 92 GW im Jahr 2030 bestehend aus 28 GW heute vorhandener Anlagen sowie 64 GW Neuanlagen, die einerseits auf bereits genutzten Windenergieflächen (28 GW) und andererseits auf neuen Windenergieflächen (36 GW) zu errichten sind.

Heute drehen sich in Deutschland etwa 30.000 Windkraftanlagen an Land. Die Offshore Windkraftanlagen sind hier nicht eingerechnet. Viele der heutigen On-Shore Windkraftanlagen sind zu einer Zeit gebaut worden, in der es die modernen, hochleistungsfähigen Windkraftanlagen noch nicht gab. Viele der älteren Windmühlen leisten daher weniger als 1 MW, im Durchschnitt hat der in Deutschland im Jahre 2021 installierte Windpark eine mittlere Leistung von 1,8 MW pro Anlage.

Den günstigsten Strom produzieren heute jedoch Anlagen mit einer Leistung um 5 MW. Bis 2030 wird daher ein erheblicher Teil der heute existierenden Windräder „repowert“ werden. Indem alte Anlagen durch leistungsstärkere Nachfolgemodelle ersetzt werden, werden langfristig wesentlich weniger Windkraftanlagen benötigt, um die gleiche heutige Leistung zu erreichen. Wenn man davon ausgeht, dass bis 2030 nur besonders alte Windkraftanlagen ersetzt werden – diejenigen, bei denen es sich wirtschaftlich rentiert – werden anstelle der heute vorhandenen 30.000 Anlagen bereits 15.000 Anlagen die gleiche Leistung erbringen können.

Für den notwendigen Bedarf an neu gebauten und modernisierten Anlagen von 64 GW ergeben sich bei einer durchschnittlichen Leistung von 5 MW pro Anlage 11.140 neue und erneuerte Windkraftanlagen. In Summe müssten demnach bei einer vollen Versorgung von ganz Deutschland in allen Energiesektoren (Strom, Wärme, Verkehr, Industrie) mit 100% Erneuerbaren Energien bis 2030 etwa 24.000 Windkraftanlagen installiert sein – wesentlich weniger als die heute installierten 30.000 Anlagen.

Auch der hierfür benötigte Flächenbedarf bewegt sich in einem vertretbaren Rahmen. Damit sich die leistungsstarken Windkraftanlagen nicht gegenseitig zu viel Wind wegnehmen, braucht jedes Windrad der 5-MW-Klasse in einem Windpark deutlich mehr Raum als die kleineren, älteren Windkraftanlagen.  Gleichzeitig ist, wie bereits erläutert, auch der Ertrag dieser modernen Anlagen weitaus höher, so dass sich der durchschnittliche Flächenbedarf im Ergebnis kaum ändert. Die von der Bundesregierung anvisierte Ausweisung von 2,0% der Landesfläche in Deutschland reicht für die beschriebenen 24 000 Windkraftanlagen aus und ermöglicht somit nicht nur das Regierungsziel von 80% Ökostrom bis 2030, sondern sogar eine 100% Vollversorgung der gesamten Energieversorgung in Deutschland. Zitat Ende.

Der Bericht wurde auch auf Klimareporter veröffentlicht. Die ganze Analyse zum Download gibt es hier.

Wünschenswert wäre es natürlich, dass die Schlafmützenländer Bayern und Baden-Württemberg es endlich nachholen und auch genügend Windräder bauen. Dann würden wir uns erhebliche Kosten für die Trassen sparen können.

Hier der Link der RTL-Sendung. Nebenbemerkung: Ich schaue den Sender sehr ungern, weil ich mir die ständige Belästigung mit Werbung ersparen möchte.

Nachtrag: 

#EnergySystemConflict

Wenn wir darüber reden, die Energiewende beschleunigen zu wollen, sollten wir zunächst darüber reden, wer sie ausgebremst hat, denn die Bremser haben ja nicht aufgehört zu bremsen.

Die Bremser sind noch immer mit den alten Argumenten unterwegs, heute mehr denn je, denn es geht für sie ans Eingemachte. Sie müssen ihre Einkünfte dringend retten, denn die werden sie komplett verlieren.

Desinformationen sind ein probates Mittel für sie, das die Energiewende Tag für Tag herauszögert. #EnergySystemConflict oder #Energiesystemkonflikt, mit diesen Hashtags muss man immer wieder darauf hinweisen. Das Thema hat Hermann Scheer immer betont.

Wenn wir also darüber reden, die Energiewende beschleunigen zu wollen, muss jeder die Bremser der Energiewende kennen. Sie verstecken sich heute in Organisationen wie dem ALLIANZ FORUM und werben mit Sprüchen wie, „Gemeinsam für eine nachhaltige Zukunft“. Und sie mischen natürlich auch in anderen großen Klimaorganisationen mit. Diese Gruppen tragen natürlich das Thema Klima an vorderster Stelle vor sich her, haben aber ganz andere Dinge im Sinn. Sie haben sich nie zu ihren Missetaten bekannt. Und das werden sie auch nicht tun, solange die Bevölkerung oder wenigstens Teile der Politik das nicht fordern.

Würde diese Forderung aber kommen und bekannt werden, würden deren Aktienkurse schlagartig sinken und wir hätten nun diejenige Klima-Energiewende-Debatte, die uns voranbringt. Erst dann wird es möglich sein, die ganze Bevölkerung mitzunehmen auf den Weg in die Energiewende, denn die wird massiv billiger sein, als das, was uns ständig vorgegaukelt wird.

Sonnige Grüße

Euer Klaus Müller
Energiewende-Rocken


#Energiesystemkonflikt:

Weshalb könnte uns ein einziger Hashtag helfen?

#Energiesystemkonflikt – ist die Energiewende Zauberenergie?

Die Energiewende – sehen wir es realistisch

Ein vorgeschobenes dummes Argument

#EnergySharing macht Energie deutlich billiger – Energiewendewissen

Der Knackpunkt der Energiewende – #Energiesystemkonflikt

Hinweis für meine Leser: Am Ende jedes Artikels finden die Angabe, wievielmal jeder Artikel aufgerufen wurde. Bei meinem letzten Artikel findet sich heute Abend, 12.6.23, ca. 19:00 Uhr die Angabe: Post Views: 56.
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