Last Updated 7. November 2021
„Wir werden unsere Atomkraftwerke nicht weiter betreiben“ sagt RWE-Finanz-Chef Michael Müller“
Das schrieb die Börsenzeitung am 15.10.2021. Viele wird das wundern, weil wir ja allerorten von der neuen Atomdebatte hören. Die Rede davon, ob ein Atomausstieg vor einem Kohleausstieg sinnvoll sei, macht seit langem die Runde. Und nun sagt Michael Müller, Finanzchef des Stromerzeugers RWE so etwas: Weiterbetrieb der Atomenergie kein Interesse – RWE sagt ab?
Selbst in den Sondierungsgesprächen zur Regierungsbildung ist die Rede davon, zumal Frankreich einen weiteren Ausbau von Kernenergie beschlossen hat und man in Europa die Kernenergie als CO2-freie Technik ansieht. Und noch ist nicht klar, ob die FDP in einer Ampel-Regierung nicht doch den Fortbetrieb der AKWs versucht sicherzustellen. Und nun das?
Ein Rückblick hilft weiter
Aber rekapitulieren wir nur kurz einmal. Das Jahr 2000 war das Jahr des ersten Atomausstiegs und davon hatten wir zwei, Zitat Wikipedia: Nach der Katastrophe von Tschernobyl 1986 forderten mehr Menschen – auch in anderen europäischen Ländern – Atomausstiege in ihren Ländern. Speziell in Deutschland bedeutet der Ausdruck – als politischer Begriff:
1. die im Jahr 2000 getroffene Vereinbarung der rot-grünen Bundesregierung mit den vier deutschen Kernkraftwerksbetreibern, die deutschen Kernkraftwerke nach dem Erzeugen bestimmter Strommengen abzuschalten (auch „Atomkonsens“ genannt) und
2. die Entscheidung des Deutschen Bundestages vom 30. Juni 2011, die im Herbst 2010 beschlossene Laufzeitverlängerung rückgängig zu machen, acht Kernkraftwerke dauerhaft abzuschalten und die übrigen neun spätestens zu bestimmten Zeitpunkten dauerhaft abzuschalten (Dreizehntes Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes (AtG)). Diese atompolitische Kehrtwende (Details siehe unten) beschloss Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Tag nach Beginn der Nuklearkatastrophe von Fukushima (Japan) im März 2011, später auch ihr Kabinett, der Bundestag und der Bundesrat. Zitat Ende.
Die Ursprünge der Antiatomenergie-Bewegung hatten ihren Ursprung noch lange vor Tschernobyl in den frühen 70er Jahren. Und das vor allem, weil langsam durchsickerte, weil es ein großes Problem mit der Atommüllentsorgung gab, das ja bis heute noch nicht geklärt ist. Das positive Bild der Kernenergie war nicht haltbar, obwohl die Politik alles darum gab dieses Bild weiterhin aufrechtzuerhalten. In der informierten Öffentlichkeit machte sich das Wort vom Atomklo breit und erst vor kurzem haben die Atomkonzerne das Problem ja auch für sich auf eine sehr spezielle Art gelöst.
Der geniale Deal für die Konzerne
Das Problem mit dem Atommüll haben die Konzerne mit einem genialen Deal gelöst, und zwar so, dass nun nicht mehr sie für die „Entsorgung“ aufkommen müssen. Die „Entsorgung“ übernimmt der Staat und damit übernehmen wir das alle. Im Juli 2017 berichtete die Tagesschau, Zitat: „Insgesamt sollen die Konzerne 46 Milliarden Euro für den Rückbau der Atomkraftwerke und die Entsorgung des Atommülls bereitstellen.“ Zitat Ende.
Die AKW-Betreiber haben das aber noch günstiger, mit einer lächerlichen Zahlung von ca. 24 Mrd. EUR an den Staat hinbekommen. Zitat energiezukunft: „Mit einer Einmal-Zahlung von 24 Milliarden Euro in einen staatlichen Fonds haben sich die AKW-Betreiber von der Verantwortung für die radioaktiven Hinterlassenschaften freigekauft“, kommentiert Jochen Stay, Sprecher der NGO ausgestrahlt, den Vorgang„. Zitat Ende.
Die Verhandlungen werden in der Art gelaufen sein, dass man fassbare Kosten, nämlich den Rückbau der Atomkraftwerke aus dem Deal herausgenommen hat. Die unkalkulierbaren Kosten bleiben beim Staat. Ganz zu Anfang als der Deal verabschiedet war hieß es von den Betreibern, puh, das können wir uns eigentlich gar nicht leisten, wir brauchen einen Zahlungsaufschub oder müssen die Zahlung auf mehrere Jahre strecken. Und so kam es dann zu der Vereinbarung, die Summe müsse bis zum Jahr 2022 in einen staatlichen Fonds überwiesen werden, so die ZEIT.
Man hat es dann aber wohl doch bereits im Jahr 2017 doch in einer Summe gezahlt. Zitat Deutschlandfunk: Etwas mehr als 24 Milliarden Euro hatten die Energieversorger RWE, Eon, EnBW und Vattenfall 2017 auf einen Schlag an den Fonds überwiesen. Das waren ihre Rücklagen für die Entsorgung des Atommülls. Mit dem Geld haben sie auch die Verantwortung an den Staat abgegeben„. Zitat Ende. Man hofft ja nun, dass in dem Staatsfond das dort lagernde Geld bis zum Jahr 2100 versiebenfacht wird. Ironie der Geschichte, im gleichen Artikel vom 23.07.2019 verkündet der Deutschlandfunk, Zitat: „Deutschland steigt aus der Atomkraft aus – für die Kosten für Zwischen- und Endlagerung des Atommülls soll ein Fonds aufkommen, in den die Energieversorger 24 Milliarden Euro eingezahlt haben. Das Geld wird angelegt – doch der Fonds macht Verluste„. Zitat Ende.
Die kleine Nebensache
Okay, da war dann aber doch noch was, oder? Die Sache, dass man sich den Ausstieg nach Fukushima auch noch mal vergolden lassen hat, sollten wir nicht vergessen. War da nicht was? Zitat FAZ: „Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) muss den Energieversorgern in Deutschland 2,4 Milliarden Euro zum Ausgleich für entgangene Restlaufzeiten und Gewinne zahlen, wie die Ministerien für Umwelt, Finanzen und Wirtschaft am Freitag mitteilten.“ Zitat Ende.
Und wer nun glaubt, Restlaufzeiten haben nur etwas mit Atomkraftwerken zu tun, der sollte doch einmal drüber nachdenken, weshalb den Kohlebetreibern der Kohleausstieg 2038 und nicht 2030 so wichtig ist. Da kommt nämlich auch die Selbstsicherheit eines Michael Müller von der RWE her. Natürlich spekuliert Müller auf die Vergoldung des Kohleausstiegs. Mit längeren Laufzeiten werden ja auch die Entschädigungen höher, zumindest wird das immer als Druckmittel bei den Verhandlungen so verwendet werden. Aber Selbstsicherheit bezieht sich auch darauf dass der Finanzchef natürlich mit diesem Geld rechnet, wenn er von einem „gut gefüllten Portfolio“ spricht.
Der Casus Knacksus
Der Wechsel zu hundert Prozent erneuerbaren Energien bedeutet den umfassendsten wirtschaftlichen Strukturwandel seit dem Beginn des Industriezeitalters. Ein Strukturwandel ohne Verlierer und Gewinner ist undenkbar. Verlierer werden unweigerlich die Anbieter der konventionellen Energien sein – in welchem Ausmaß das der Fall ist, hängt von ihrer Fähigkeit ab, sich an Haupt und Gliedern umzustrukturieren, sich mit drastisch sinkenden Marktanteilen abzufinden und neue Tätigkeitsfelder für sich zu finden, die KEINE ENERGIEWIRTSCHAFTLICHEN mehr sein werden.
Versuche der Verliererrolle in diesem Wandlungsprozess zu entkommen und ihre zentrale energiewirtschaftliche Rolle zu behalten, führen zu widersprüchlichen und teuren Verlangsamungsstrategien. Zitat Ende
Atomkraftwerke länger laufen lassen: Keine Option für Betreiber