Take-or-pay-Langzeitverträge und strategisches Denken – Energiewende

Screenshot - wer denkt hier langfristig? LNG Langfristverträge take-or-pay

Last Updated 7. Dezember 2023

Take-or-pay-Langzeitverträge und strategisches Denken, wer denkt da eigentlich?

Nach meinem letzten Artikel, “Das LNG-Dilemma, leider ein sehr dunkles Kapitel der Grünen. Umweltschutz geht anders” sind einige Diskussionspunkte aufgetaucht, die es gilt hier zu erklären.

Was sind Take-or-pay-Langzeitverträge?

Über dieses Kapitel ist leider in den Medien sehr wenig berichtet worden, obwohl es gravierend für die Energiewende und unsere Energieversorgung ist. Wenn Energielieferanten, z.B. Gaslieferländer Gas liefern, dann sind dafür jede Menge teure technischer Einrichtungen nötig. Gasfelder müssen erschlossen werden und teure Pipelines müssen errichtet werden, bevor es überhaupt zur ersten Lieferung kommen kann. In der Regel werden die Kosten dafür über langfristige Kredite getragen. Das bedeutet, Gaslieferanten sind in der Regel über Jahrzehnte auf die zuverlässige Abnahme angewiesen. Genau dafür kommt nun dieses take-or-pay ins Spiel.

Dazu Wikipedia:

Der Käufer (im Außenhandel der Importeur) übernimmt gegenüber dem Verkäufer (Exporteur) eine Zahlungsgarantie unabhängig davon, ob die Güter oder Dienstleistungen vom Verkäufer hergestellt oder vom Käufer abgenommen werden. Bei Nichtabnahme der vereinbarten Mindestmenge ist die Zahlung der nicht abgenommenen Menge dennoch fällig. Die Klausel erfasst auch produktionsbedingte Lieferausfälle.

Gas bedeutet also, egal ob man das Gas nun abnimmt oder die gebrauchten Menge, aus welchem Grund auch immer, geringer ist als die vereinbarte Liefermenge, es ist in jedem Jahr der Preis für die vereinbarte Liefermenge zu zahlen. In der ganzen Diskussion zu den Gaslieferungen aus Russland ist dieser Punkt kaum diskutiert worden. Es stand von vornherein fest, Putin liefert nicht mehr und damit war das Thema erledigt. Das ist es leider nicht, denn Putin hat noch mehrere Monate nach Kriegsbeginn die vereinbarte Liefermenge geliefert.

Das ist in der Öffentlichkeit immer anders dargestellt worden und der grüne Vordenker Ralf Fücks vom ThinkTank, Liberale Moderne, kurz LibMod, hat sich da sehr weit aus dem Fenster gelehnt, ist aber mit einem Faktencheck der Sendung Hart aber fair widerlegt worden. Fücks sagte in der Sendung hart aber fair, am 24.9.2022: “Es war Russland, das Gas als Waffe eingesetzt hat, gegen den Westen. Die haben schon vor dem Krieg angefangen ihre Gaslieferungen zu reduzieren, um die Abhängigkeit auszunutzen, in die wir uns sehenden Auges begeben haben. Und Nordstream1 stillzulegen, war auch eine russische Entscheidung. Also der Kremmel benutzt Energie als Waffe in einer Auseinandersetzung mit dem Westen”.

Dazu die Quellen:

https://www1.wdr.de/daserste/hartaberfair/sendungen/eine-frage-der-herkunft-warum-sehen-ost–und-westdeutsche-russlands-krieg-so-anders-100.html
auf Youtube: https://youtu.be/NFzw5N-lRWQ

Der Faktencheck
https://www1.wdr.de/daserste/hartaberfair/faktencheck/faktencheck-576.html

Tatsächlich ist die Frage, wer denkt da eigentlich, sehr bedeutend für die Energiewende, die ja auch die Grünen federführend wollen, von sehr großer Bedeutung. Hier aber erstmal die Aufklärung, wie die Take-or-pay-Verträge mit Russland zustande gekommen sind, die Geschichte reicht nämlich sehr weit zurück.

Screenshot Frontal-ZDF take-or-pay

Screenshot Frontal-ZDF-Sendung take-or-pay

Hier geht es zum Video des ZDF auf Youtube.

Um es vorweg einzuordnen, auch wenn ich dabei möglicherweise von der falschen Stelle Applaus bekomme, die Gaspipelines sind mit deutschem Geld bezahlt worden, um Deutschland und später auch Europa mit billigem Gas zu versorgen. Um diese Einsicht kommt niemand herum, wie der Beitrag von Frontal ja auch eindeutig zeigt. Wenn nun auch von Europa die Rede ist, dann aus dem Grund, dass Deutschland in den letzten Jahren vorm Ukrainekrieg zum Gasexporteur avancierte. Auch das gehört zu den Dingen, über die kaum berichtet wurde.

Es versteht sich von selbst, dass solche Langfristverträge eine Geheimsache sind und nicht in vollem Umfang einsehbar sind. Dazu Jack Sharples vom Oxford Institute for Energy Studies: “Die Take-or-payklausel bedeutet, du musst jedes Jahr eine Mindestmenge abnehmen, ansonsten musst du für das Gas bezahlen, das du nicht abgenommen hast”. Seinem Institut liegen Informationen über die geheimen Langfristverträge Russlands mit Deutschland vor.

In den oben erwähnten Diskussionen steht nun die Behauptung im Raum, Zitat: “Der Angriffskrieg gegen Europa läuft nun seit Februar 2022. Nein, Deutschland bedient die Langfristverträge inzwischen nicht mehr, da Russland selber die Lieferungen ausgesetzt hatte, um zu erpressen, und damit der eigenen Verpflichtung nicht mehr nachkam (angeblich defekte Turbinen, dann Nichtabnahme der gewarteten Turbinen, und nun gibt es Nordstream nicht mehr). Zitat Ende. Das sehen viele so, die sich mit dem Thema beschäftigt haben. Viele Dinge stimmen hier zwar, aber die Hintergründe sind andere.

Ich sehe das aus mehreren Gründen anders, dazu unten gleich mehr.

Verpasste Chancen

Wer die Energiewende in einem Industrieland wie Deutschland hinbekommen will, der muss einen Plan haben. Erdgas eignet sich am besten für diesen Plan, denn in Dunkelflauten brauchen wir diese Stütze. Und zudem brauchen wir neue Gaskraftwerke, die dann später auch Wasserstoffgas verwenden werden. Es versteht sich von selbst, dass diese Gaskraftwerke sehr selten im Jahr laufen werden, aber die Dinge sind durchgerechnet, zumal Gaskraftwerke keinen hohen Wartungsaufwand haben, sie sind im Betrieb gegen Kohlekraftwerke konkurrenzlos günstig und können sehr schnell hoch- und wieder heruntergefahren werden, was den Gasverbrauch senkt.

Habeck hat aber die Pläne für den Bau dieser Kraftwerke inzwischen sehr weit nach hinten verschoben, was außerordentlich zu beklagen ist, denn hier müsste ja auch “gedacht” werden.

Interessant ist nun folgendes. Die Fehler, die man mit den Langzeitverträgen mit Russland gemacht hat, hätte man von Anfang an vermeiden müssen. Es war ja bekannt, dass wir mit der Energiewende zunehmend weniger Gas verbrauchen werden. Die Take-or-pay-Klauseln hätten das berücksichtigen müssen. Ein Koppelgeschäft mit Russland wäre denkbar gewesen, z.B. dass Russland später grünen Wasserstoff herstellt und damit auch die Energiewende vorantreibt. Ich weiß, Spötter werden mich jetzt beschimpfen, das wäre nicht realistisch, Putin hätte das nie gemacht, auch zu dem Punkt komme ich gleich weiter unten. Vorweg: meine Einschätzung, wir hätten es ihm schmackhaft machen können und das wurde damals auch schon in der deutsch/russischen Handelskammer eingefädelt.

Also weg von Russland und Putin und hin zu neuen Chancen…

Mit den neuen Lieferanten bieten sich ja auch neue Chancen. Gut das Gas und vor allem das Frackinggas ist wirklich sehr umweltschädlich. Frackinggas hat einen sehr hohen Anteil an Methan und das ist 84 Mal klimaschädlicher als Erdgas. Um so wichtiger ist es jetzt aber vernünftige Verträge abzuschließen, die für die Energiewende geeignet wären, keine oder bessere Take-or-pay-Klauseln enthalten, damit die Energiewende endlich vorankommt. Und was passierte nun?

Screenshot Capital LNG Langfristverträge take-or-pay

Aus dem Schaden hat man nichts gelernt und hat beim LNG UND beim Frackinggas aus den USA wieder Langzeitverträge mit Take-or-pay-Klauseln abgeschlossen. Hier der Bericht dazu:

Langfristige Verträge: Gaskrise zwingt Deutschland in LNG-Abhängigkeit.

Und darin heißt es: Bis zum Ausbruch des Ukrainekriegs galt Gas als Energieträger für den Übergang in die Komplettversorgung mit Öko-Energien. Doch jetzt muss sich Deutschland auf langfristige Flüssiggaslieferverträge einlassen. In 13 Jahren will Deutschland seinen Energiebedarf komplett aus erneuerbaren Quellen decken. Doch die Energiekrise erzwingt eine Jahrzehnte währende Bindung an den Import fossiler Brennstoffe. Energieversorger von Uniper bis RWE haben langfristige Verträge mit Flüssiggaslieferanten, insbesondere aus den USA, abgeschlossen. Und weitere Liefervereinbarungen sind zu erwarten. Bisher schreckten Versorger vor Verträgen mit Laufzeiten von 15- bis 20 Jahre zurück, weil sie sich nicht an eine Energiequelle binden wollten, die für Treibhausgasemissionen verantwortlich ist. … In ganz Europa forcieren die Regierungen den Einsatz von schwimmenden LNG-Terminals, deren Aufbau nur einen Bruchteil der Zeit in Anspruch nimmt, die für die landseitige Variante benötigt wird. Deutschland, das früher mehr als die Hälfte seines Gases über Pipelines aus Russland bezog, chartert jetzt fünf dieser schwimmenden Speicher- und Regasifizierungseinheiten (FSRUs). Zwei weitere sollen privat angemietet werden. Geplant ist, dass drei davon schon in diesem Winter in Betrieb gehen. Zitat Ende.

Auf der einen Seite schließt man also Langzeitverträge ab, auf der anderen Seite ist klar, die Mengen reichen aber jetzt nicht. Erst mit einem schnelleren Ausbau der Erneuerbaren Energien und vor allem der Sektorenkopplung, werden wir geringere Mengen benötigen. Weshalb hat man nun nicht auch die nötigen Mengen gleich “gebucht” und das mit abnehmenden Liefermengen, Jahr um Jahr? Ganz klar, weil da Take-or-pay-Klauseln in den Verträgen enthalten sind. Man ist verpflichtet, die vereinbarten Abnahmemengen über 2 Jahrzehnte zu bezahlen. Und diese Verträge stehen unter internationalem Recht genauso wie die Verträge mit Russland.

Liebe Diskussionspartner, die ich oben zitiert habe. Legt euch wieder schlafen, Ihr seid eher ungeeignet die Probleme zu durchdenken.

So ich habe fertig, und sorry, das musste jetzt mal raus.

Sonnige Grüße

Klaus Müller
Energiewende-Rocken

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