Last Updated 18. September 2020
Raus aus den Investitionen von klimaschädigenden Energien
Mit zwei Karikaturen von Gerhard Mester
Editorial zum Solarbrief 2/2015
Seit 100 Jahren investieren Versicherungen, Banken, Rentenfonds, Stiftungen, Kommunen, Universitäten und Privatpersonen ihr Kapital in Unternehmen, die hohe Gewinne versprechen. Sie investieren in der Hoffnung auf Reichtum und damit verbundene Macht. Ob festverzinsliche Staatsanleihen, ob Produktion von Giftgas oder Streuminen, von Zigaretten oder Kettensägen, von energieintensiven Grundstoffen wie Aluminium oder Kunstdünger, oder eben auch direkt von Strom aus Braunkohle – die Anleger fragen nur nach der Rendite.
So werden ohne Skrupel auch Unternehmen gestützt, die mit der Nutzung von fossilen Energien und der Ruinierung des Weltklimas befasst sind. Das gilt bisher als todsicheres Geschäftsmodell, denn der Energiehunger steigt weltweit, und die Verfügungsrechte über Kohle, Erdöl und Erdgas, die noch unter der Erd- oder Meeresoberfläche vermutet werden, werden sogar mit militärischer Macht gesichert.
Angst vor dem Klimawandel? Diejenigen, die in das Spiel um den großen Geld- und Machtgewinn verwickelt sind, interessiert alles Übrige nur noch am Rande. Vielleicht ist das ähnlich, wie das Fieber bei der Fußballweltmeisterschaft oder beim Sex? Während des Spiels empfindet man alles, was nicht unmittelbar dazu gehört, nur als störende Ablenkung: “Klimawandel??? Das hat doch noch Zeit!”
Der jämmerliche Hungertod von König Midas, dem wunschgemäß alles, was er anfasste, zu Gold wurde, ist offenbar nicht abschreckend genug. Wer ausschließlich im Abwägen von finanziellem Gewinn oder Verlust befangen ist, lässt sich nur noch ansprechen, wenn ihm ein Risiko vor Augen geführt wird, das zu seinen Begrifflichkeiten passt. Dass eine „Spekulationsblase“ platzen kann – dieses Risiko leuchtet jedem Börsenspekulanten sofort ein, und davor hat er echt Angst.
Damit kommen wir zur Kohlenstoff-Spekulationsblase: Die derzeitige Bewertung der Fossilunternehmen ergibt sich aus der Vorstellung, dass alle bekannten und vermuteten fossilen Bodenschätze noch gefördert und energetisch genutzt werden. Wem allerdings bewusst ist, dass jede weitere Tonne Kohle den Klimakollaps noch verschlimmert und dass die Ressourcen deshalb in der Erde bleiben müssen, der erkennt, dass die fossilen Unternehmen völlig überbewertet sind.
Die von Sigmar Gabriel vorgeschlagene Klimaabgabe hat offensichtlich trotz ihrer unzureichenden Höhe den Fossil-Spekulanten einen Schock versetzt, wie die überschießend heftigen Reaktionen zeigen. Eine administrative Beschränkung der Kohle- und Ölförderung würde dazu führen, dass die Gewinnaussichten von einigen ernüchterten Analysten geringer eingeschätzt werden. Vorsichtige Anleger werden ihr Kapital abziehen. Damit sinkt der Aktienkurs. Das alarmiert andere Anleger; sie überprüfen die Gewinnaussichten und ziehen – möglichst solange die Papiere noch einen guten Wert darstellen – ebenfalls ihr Kapital ab.
So kommt es zu einer sich selbst verstärkenden Abwärtsbewegung. Von Stunde zu Stunde sind die Papiere weniger wert. Für die Anleger heißt es dann: „Rette sich wer kann“. Kommunen, die an den fossilen Unternehmen beteiligt sind, werden in den Strudel gerissen. Staaten, die ihre Banken retten wollen, bekommen Probleme. Die Ratingagenturen werden mit ihren Abwertungen kaum noch mitkommen. So könnte die “Kohlenstoffblase” platzen.
Ein Vergleich mit der geplatzten „Immobilienblase“ im August 2007 liegt nahe, doch die “Kohlenstoffblase” ist voluminöser und die Angriffe kommen diesmal von zwei Seiten – einmal von denjenigen, die um ihre Gewinne fürchten, andererseits von der ethisch motivierten “Divestment-Bewegung”, die durch einen Ausstieg aus allen fossilen Beteiligungen die Welt vor der Klimakatastrophe retten will. Diese Zangenbewegung könnte sich als unwiderstehlich erweisen. Die einstimmige Entscheidung des norwegischen Parlaments vom 6. Juni 2015, dass der norwegische Rentenfond (der zweitgrößte der Welt) alle Anteile von Firmen verkaufen soll, die mit mehr als 30 % an Kohlenutzungen beteiligt sind, liefert einen Vorgeschmack davon, was noch geschehen kann.
Wenn niemand mehr in den Erhalt der fossilen Kraftwerke investieren will, könnte das fossile Zeitalter innerhalb weniger Jahre zu Ende gehen. Mit fast dreißig-jähriger energietechnischer Erfahrung sehen wir aber auch die Gefahr, dass es zu einem ERSATZLOSEN Zusammenbruch der fossilen Energieversorgung kommen kann, denn insolvente Unternehmen können keinen Strom mehr liefern. Wir empfehlen deshalb dringend, dass die finanziellen Anstrengungen sich den Erneuerbaren Energien und ihren Speichern zuwenden. Erst mit einer ausreichenden Menge von Energiespeichern können Wind- und Sonnenenergie die Atom- und Fossilenergien vollständig ersetzen.
Deshalb investiert das “divestierte” Geld in Speicher!
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