Last Updated 30. Januar 2020
Ja, die Strompreise in Deutschland sind die teuersten in Europa. In 2018 lagen sie an Platz zwei. Nur in Dänemark waren sie noch teurer. Das diese Tabelle nicht die ganze Wahrheit sagt, wird klar, wenn man sich die Einkommen in den einzelnen Ländern anschaut. Es steht außer Frage, dass der Verbrauchsanteil für Strom niemals der gleiche in allen Ländern pro Kopf der Bevölkerung ist und sogar stark differiert. Der mittlere Strompreis in der EU liegt bei 21,1 Cent pro Kilowattstunde, die Einkommen in der EU weichen aber dazu auch noch stark von dieser Liste ab. Aber das soll hier nicht das Thema sein. Eher aber ist die Einkommensverteilung in den einzelnen Ländern interessant um auf das Thema zu kommen das hier nun angesprochen werden soll. Die interessiert uns zunächst für Deutschland.
Das was wir auf allen Kanälen in den Medien zu hören bekommen ist: Der Ausbau der erneuerbaren Energien treibt die Strompreise in die Höhe. Gleichzeitig stehen auch immer die vielen Stromsperren, die vor allem die armen Bevölkerungsschichten betreffen, im Raum. Das ZDF berichtet im Oktober 2019: Knapp 300.000 Stromsperren in Deutschland. Und bei ntv lesen wir: Zu wenig Geld für Energiekosten. Strompreise hängen Hartz-IV-Satz ab.
Und genau darauf ziehen neoliberale Kreise ab, man spielt die Energiewende gegen die Armen aus. Das Wort von der Stromarmut in Deutschland macht die Runde und “bei Hartz IV reicht der Anteil für Strom nicht aus”. Nur was hat Sozialpolitik mit Energiewende zu tun? Dass wir seit Jahren einen großen Niedriglohnsektor haben sollte doch bekannt sein. Das DIW schreibt dazu:
- Anteil der Niedriglohnbeschäftigten in Deutschland hat zwischen 1995 bis 2008 stark zugenommen, seitdem stagniert er bei etwa einem Viertel.
- Die absolute Zahl der Niedriglohnbeschäftigungsverhältnisse liegt zuletzt bei neun Millionen – inklusive Nebentätigkeiten.
- Mindestlohn hat Bruttostundenlöhne im untersten Dezil überproportional steigen lassen aber Anteil der Niedriglohnbeschäftigten nicht gesenkt.
- Lohnmobilität aus dem Niedriglohnsektor heraus ist gering und steigt nicht.
- Absenken der Verdienstgrenzen bei Minijobs, bessere Qualifizierung und offensivere Lohnpolitik könnten dazu beitragen, Niedriglohnsektor einzudämmen.
Wenn ein reiches Land so eine ungleiche Einkommensverteilung hat, sollte es darauf reagieren. Und dass Strom ein wichtiger Bereich in der Versorgung der Bevölkerung ist, ist auch klar, denn fällt der Strom aus, dann ist bei manchen sogar auch die Wohnung kalt. Es ist um so weniger einzusehen, dass ausgerechnet über die Stromsperren auf Kosten der Armen, eine Politik gegen die Energiewende gemacht wird und das seit Jahren.
Wenn Strompreise wegen Klimaschutzmaßnahmen steigen müssen, dann wäre abzuklären, wie das gerade für die Armen abzufedern ist. Wenn wir aber feststellen, dass in Wahrheit gar nicht der Ausbau erneuerbarer Energien, der Grund für steigende Strompreise ist, sondern eine falsche, fehlerhafte Maßnahme am Strommarkt, mit denen Stimmung gegen die Erneuerbaren gemacht wurde und seit fast 10 Jahren immer noch gemacht wird, ohne dass Medien dazu in der Lage wären diese Geschichte aufzudecken, dann haben wir ein gewaltiges Problem.
Und dieses Problem benennt Prof. Dr. Claudia Kemfert in einem kurzen Vortrag, wenn sie sagt:
Warum ist die Energiewende billig, obwohl sie angeblich so teuer ist?
Dazu müssen wir erstmal die Frage stellen, wer sagt denn eigentlich, die Energiewende sei teuer und vor allen Dingen, warum? Die Energiewende sei teuer, das sagen, oh Überraschung, vor allem diejenigen, die bisher von der Energiewende nicht profitiert haben, die auf fossile Energien gesetzt haben. Sie sind die Verlierer der Energiewende, was sie nicht hätten sein müssen, wenn sie rechtzeitig in die Energiewende investiert hätten und somit auch von ihr profitiert hätten. Solche Verlierer kennt man aus der Vergangenheit schon häufiger: Hersteller von Schreibmaschinen oder Pferdekutschen, Wählscheibentelefonen. Also wenn eben jene Hersteller von Öl, Kohle, Gas, Bauer von Atomkraftwerken oder Kohlekraftwerken behaupten, die Energiewende sei teuer, so meinen sie das vor allen Dingen mit dem Blick ins eigene Portemonnaie.
Und damit das keiner merkt behaupten sie, die Energiewende koste sehr viel für die Verbraucher, die enorme Kosten zu tragen hätten. Sie sprechen davon, dass der Strompreis immer weiter ansteigt, geradezu explodiert. Die EEG-Umlage, also das was wir zahlen zur Förderung Erneuerbarer Energien, sei gestiegen von drei Cent auf mittlerweile sechs Cent pro Kilowattstunde. Das ist auch richtig, nur der Irrtum dabei ist, das sind nicht die Kosten der Energiewende….
Viel zu selten hören wir solche Stellungnahmen, wie die von Prof. Dr. Claudia Kemfert. Um so deutlicher muss man fragen, weshalb Medien und Journalisten immer nur die Sichtweise der Konzerne transportieren und wiedergeben? Obwohl genau deren Sichtweise eigentlich sogar inszeniert ist und uns über das #eegParadoxon den Blick auf den genauen Hergang der Dinge vernebelt. Das ist besonders deshalb schlimm, weil ja höhere Kosten suggeriert werden die es in Wahrheit so nicht gibt. Fast ebenso schlimm ist es, dass eingesparte Kosten z.B. beim Einkauf von Kohle Gas und Erdöl nicht gegengerechnet werden. Sind Medien auf diesem Auge blind oder fehlt ihnen der Sachverstand?
Dazu komme zusätzlich noch die Kosten für Klima- und Umweltfolgen, die natürlich nirgendwo auftauchen, die wir aber bei den Erneuerbaren gar nicht erst entstehen. Ist es wirklich so schwer für Journalisten diese Schieflage zu durchschauen?
Wenn Konzerne, die einfach nur um ihr Überleben kämpfen, diesen Kampf aber längst verloren haben und nun versuchen mit aller Macht, die ihnen verblieben ist, eine Art Greenwashing zu inszenieren, indem sie vormachen sie stünden hinter der Energiewende, dann wäre das zunächst einmal aufzuklären. Über 10 Jahre lang haben sie recht erfolgreich versucht die Energiewende auszubremsen, weil sie wissen, jede eigene Aktivität in Richtung Energiewende vernichtet ihr Geschäftsmodell. Ebenso würden und werden Bürger ihr Geschäftsmodell vernichten, wenn man ihnen einfach überlässt, sich ihren eigenen Strom selbst herzustellen oder das ganze sogar auch noch beschleunigt indem man sich über Genossenschaften organisiert. Dass Energiekonzerne so vorgehen, ist dabei ja nicht verwunderlich, denn sie sind Konzerne und ihren Aktionären gegenüber verpflichtet. Was allerdings Medien betrifft sollten sie die Sache nicht unnötig herauszögern. Wir brauchen die Debatte genau über diese Interessenslagen und dabei kann es kein Zurückzucken oder die eigene Schere im Kopf geben.
Hier ein Beispiel zu diesem Vorgehen von den EWS Schönau. Das genossenschaftliche Prinzip.
Liebe Medienvertreter, wir werden verstärkt einen Blick auf Euch haben. Angesichts der Klimakatastrophe solltet ihr beginnen fair zu berichten. Unwissenheit schützt in dem Fall nicht, denn die Dinge werden immer dringlicher. Wir wissen, dass Energiewende und Klimawandel das Thema dieses Jahrzehntes wird. Und am Sonntag, den 19.01.2020 sahen wir wie in der sonntäglichen Presseschau eine Falschaussage oder Halbwahrheit nach der anderen von führenden Journalisten rausgehauen wurden. Und zusätzlich machte der Moderator der Sendung und ARD-Programmdirektor Volker Herres ordentlich dabei mit. Das geht selbstverständlich so nicht weiter. “Journalismus vor dem aus – Ist Wissen Mangelware?” hieß unser Beitrag dazu. Wir bleiben dran, versprochen!
Sonnige Grüße
Ihr Klaus Müller